Dann muss es Liebe sein
glaube nicht, dass es dem Baby schadet, aber man kann ja nicht vorsichtig genug sein«, erklärt Sophia, was erstaunlich rücksichtsvoll von ihr ist, wenn man bedenkt, dass sie dieses Kind bereits vor seiner Geburt verstoßen hat.
»Ist schon in Ordnung«, sage ich, um Lucie zu beruhigen, nicht Sophia. »Ich hatte die Windpocken auch schon, dem Baby kann also nichts passieren.«
Sophia nickt in Richtung meiner Einkäufe. »Fangen Sie beizeiten an, alles vorzubereiten, oder kommt das Baby früher, als ich dachte? Alexander erzählt mir ja nichts.«
Ich will Lucie nicht unnötig aufregen, aber gegenüber Sophia kann ich nicht um den heißen Brei herumreden.
»Ich wüsste auch nicht, warum er das tun sollte. Sie haben uns doch klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass Sie mit mir und dem Baby nichts zu tun haben wollen. Offen gesagt, Sie haben sich ausgesprochen gemein über uns geäußert.« Ich bemerke, dass die Verkäuferin interessiert zuhört, und senke die Stimme. Das hier geht nur mich und Sophia etwas an, nicht den Rest von Talyton St. George.
»Es tut mir leid, Madge … Wir sollten miteinander reden, aber nicht hier. Warum kommen Sie nicht irgendwann einmal nachmittags hoch ins Herrenhaus und trinken mit mir und Lucie Tee? Wann immer es Ihnen passt. Ich weiß, dass Sie sehr beschäftigt sind.«
Zum ersten Mal, seit ich sie kenne, wirkt Sophia auf mich wie eine alte Frau. Ihr Gesicht ist von Falten durchzogen und mit Altersflecken gesprenkelt. Ihr mit Pferdemotiven bedrucktes Seidentuch ist am Rand ausgefranst, und ihr Regenmantel ist mit Salbe verschmiert, wo Lucie ihr Gesicht dagegengerieben hat. Sie sieht müde und ein wenig traurig aus, als sie in ihrer Handtasche herumkramt und ringsum Minzbonbonhüllen und Papiertaschentücher verstreut, ehe sie ein zusammengefaltetes Blatt Papier herausholt und es dem Apotheker reicht.
»Bitte, Maz«, schließt sich Lucie an. »Oma sagt, wir können aus Hettys Eiern Cupcakes backen.«
»Hetty ist eine von Lucies Hennen«, informiert mich Sophia. »Wie wäre es mit heute Nachmittag?«
»Einverstanden«, sage ich. Ich wollte ohnehin früher Feierabend machen, weil ich die ganze Nacht auf den Beinen war. »Ich kann aber nicht lange bleiben. Vielleicht eine halbe Stunde.«
»Das wäre wunderbar«, antwortet Sophia entzückt. »Wir freuen uns auf Ihre Gesellschaft.«
»Dann sehen wir uns gegen vier«, erwidere ich. »Und, Sophia, ich heiße Maz, nicht Madge.«
»O ja, natürlich. Jetzt fällt es mir wieder ein«, entgegnet Sophia entschuldigend.
Als ich meine Tüte und die Quittung von der Verkäuferin entgegennehme, kommt der Apotheker aus dem Hinterzimmer zurück und wedelt mit dem Papier, das Sophia ihm gegeben hat.
»Offenbar hat Ihr Mann sich schon wieder selbst ein Rezept ausgestellt, Mrs Fox-Gifford«, sagt er. »Ich kann das unmöglich einlösen. Sie wissen, dass ich ihn dafür anzeigen könnte.«
Sophia nimmt ein Brillenetui aus ihrer Tasche und setzt eine derart verkratzte Hornbrille auf, dass es ein Wunder ist, dass sie überhaupt noch etwas erkennen kann.
»Du meine Güte«, meint sie, nachdem sie das Rezept gelesen hat. »Sie haben recht. Was soll ich nur mit deinem Großvater machen, Lucie?«
»Steck ihn in einen Sack und wirf ihn in den Fluhuuss«, antwortet Lucie fröhlich.
»Ich sorge dafür, dass er zum Arzt geht, und wenn ich ihn unter Treten und Schreien hinschleifen muss. Männer«, fügt sie, an mich gewandt, hinzu, als gehörten wir plötzlich einer gemeinsamen Schwesternschaft an. »Mein Mann weigert sich einzusehen, dass er schwer krank ist. Wenn er irgendwann abtritt, werde ich ›Ich habe es dir ja gesagt. Ich habe dir gesagt, du bist krank‹ auf seinen Grabstein meißeln lassen.«
Als ich Lucie und Sophia gerade aus der Apotheke auf die Straße folgen will, kommt Declan herein und hält die Tür auf. Ich trete einen Schritt zur Seite und lasse Penny herein. Sie sitzt in ihrem Rollstuhl, hat einen Korb auf dem Schoß und einen leichten Verband am Bein. Sally trottet in Mantel und Geschirr neben ihr her. Sie begrüßt mich schwanzwedelnd und läuft dann davon.
»Hallo, Declan. Penny, wie geht es Ihnen?«
»Dank Ihnen wieder viel besser«, antwortet Penny. »Dieser Fleck an meinem Bein, das war Krebs. Ein Melanom, verursacht durch zu häufiges Sonnenbaden als Teenager, aber sie haben ihn erwischt, ehe er sich ausbreiten konnte.«
»Das haben Sie Sally zu verdanken, nicht mir.« Ich senke den Blick und beobachte Sally, die
Weitere Kostenlose Bücher