Dann muss es Liebe sein
schwer ums Herz, und vor lauter unterdrückter Panik kann ich keinen klaren Gedanken fassen. Was ist los mit mir? Warum kann ich keine Beziehung zu meinem Baby aufbauen? Die Tatsache, dass Emma in meiner Situation ganz anders empfinden würde, verschlimmert meine Schuldgefühle zusätzlich.
Auf der Rückfahrt nach Talyton mache ich einen Umweg, um einem Verkehrsstau auszuweichen. (Im Radio haben sie einen Unfall auf der Hauptstraße gemeldet.) Schließlich gerate ich auf einen schmalen, in der Mitte mit Gras bewachsenen, von wuchernden Hecken und Wiesenblumen gesäumten Feldweg. Ich biege rechts ab und lande auf einem noch schmaleren Pfad, der allmählich in eine ausgefahrene Traktorspur übergeht. Ich mache kehrt und versuche es mit der anderen Richtung. Das erinnert mich an meine erste Zeit in dieser Gegend, als ich mich ständig verfahren habe. Und jetzt habe ich das Gefühl, schon wieder die Orientierung zu verlieren.
Ich bin erleichtert, als ich endlich im Otter House ankomme, wo Mrs Dyer und Brutus bei Frances am Empfang stehen.
»Maz, Mrs Dyer sagt, sie hätte heute Nachmittag einen Termin bei Emma. Brutus soll geröntgt werden.«
»Sie sagte, eigentlich hätte sie heute keine Sprechstunde, aber für mich würde sie eine Ausnahme machen«, wirft Mrs Dyer ein.
»Ich kann den Eintrag nirgends finden. Was soll ich denn mit ihr machen?«, flüstert Frances mir zu.
»Mir ihr oder mit Emma?«, versetze ich leise, ehe ich übernehme und Mrs Dyer die Situation erkläre, während Brutus an seiner Leine herumhumpelt und mit seinem langen Schwanz gegen meine Beine schlägt. Zum Glück hat sie Verständnis.
»Dann vereinbaren wir einfach einen neuen Termin. So schlimm ist das Hinken ja auch nicht. Komm, Brutus. Jetzt bekommst du doch noch deinen Tee und deine Kekse.«
»Ich dachte, er sei auf Diät.«
»Ist er auch, aber ein, zwei Leckerli zwischendurch sind doch erlaubt. Ein Kekschen in Ehren …«
»Macht fett«, beende ich den Satz für sie.
»Dafür bekommt er mittlerweile nur noch zwei Stück Zucker in seinen Tee. Früher waren es drei.«
Brutus hat jedoch andere Pläne. Er postiert sich vor unserem Regal und drückt die Schnauze gegen einen Beutel Diätfutter. Erst mit einem kalorienfreien Leckerli gelingt es mir, ihn davon wieder wegzulocken, woraufhin er zufrieden aus der Praxis humpelt. Sein Hinken wirkt jetzt nicht mehr so belanglos, und ich frage mich, ob ich nicht doch darauf hätte bestehen sollen, ihn selbst zu röntgen.
»Nehmen Sie es nicht persönlich, Maz«, sagt Frances hinter meinem Rücken. »Sie hat ihren letzten Hund, auch eine Deutsche Dogge, genau wie Brutus, vor ein paar Jahren während einer Narkose verloren. Damals habe ich noch im Talyton Manor gearbeitet. Es war furchtbar traurig.«
»Das wusste ich nicht.« Es erklärt zumindest, wieso sie im Hinblick auf ihren Tierarzt so wählerisch ist.
»Niemand hatte Schuld. Er war allergisch auf eines der Mittel«, fährt Frances fort. »So, und nun zeigen Sie mir die Bilder«, fordert sie mich auf.
»Meine Güte, ist der süß«, gurrt sie. »Es ist doch ein Junge, nicht wahr?«
»Das wissen wir noch nicht«, antworte ich, aber sie beachtet mich gar nicht.
»Sie und Alexander sind sicher unglaublich stolz.« Sie besteht darauf, die Bilder Izzy zu zeigen, die gerade nach vorne kommt, um das Büromaterial zu holen, das wir bestellt haben.
Izzy bleibt kurz stehen und sieht ihr über die Schulter.
»Das muss eine Verwechslung sein«, sagt sie in ihrer üblichen trockenen Art. »Es hat kein Stethoskop in der Hand.« Sie nimmt das Büromaterial mit nach hinten, und Frances gibt mir widerstrebend die Bilder zurück. Ich glaube, am liebsten würde sie sie am Schwarzen Brett aufhängen.
»Ach, Maz, erinnern Sie sich an unseren kleinen Plausch von neulich? Darüber, dass wir die unschuldigen jungen Mädchen von Talyton beschützen sollten?«, erkundigt sich Frances verschwörerisch. »Ich habe Drew beim Telefonieren erwischt – und zwar ganz eindeutig nicht mit seiner Mutter. Ich habe ihn gefragt, mit wem er denn da gesprochen hätte, und er sagte: ›Das war bloß eine Freundin‹, und ich habe nachgebohrt: ›Was denn für eine Freundin?‹, und da ist er ganz rot geworden und hat angeboten, den Anruf zu bezahlen.«
»Und? Jetzt reden Sie schon, Frances.«
»Er hat in Australien eine Verlobte.«
»Dieser widerliche Mistkerl!« Ich halte kurz inne. »Haben Sie es Shannon gesagt?«
»Ich dachte, es sei besser, wenn Sie das übernehmen.
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