Dann muss es Liebe sein
wegbringen, und ich weiß nicht, ob nicht bald auch noch das Baby kommt.«
»Was soll das heißen, du weißt nicht?«, erwidert sie in schneidendem Ton. »Du bist schließlich Tierärztin und kein ahnungsloser Hohlkopf.«
Im Moment fühle ich mich tatsächlich eher wie ein ahnungsloser Hohlkopf. Ich wünschte, ich wäre ein bisschen öfter zum Geburtsvorbereitungskurs gegangen, dann wüsste ich jetzt wenigstens, was auf mich zukommt.
»Bitte, Emma«, flehe ich. »Ich schaffe das nicht allein.«
»Du bist doch nicht allein. Du hast gesagt, Shannon und Frances wären auch da.«
»Ja, aber …« Ich verstumme mitten im Satz. Ich kann es nicht erklären. Ich bin den beiden dankbar für ihre Unterstützung, doch ich brauche auch Emma hier. Sie gehört dazu. Sie ist Teil des Otter House. Und nicht nur das. Sollte ich ausfallen – mich schaudert bei dem Gedanken –, muss sie das Kommando übernehmen. »Nun hör mir mal gut zu, Emma. Mir reicht’s. Ich bitte dich nicht zu kommen, du kommst gefälligst! Und wenn du nicht innerhalb einer Stunde entweder hier im Otter House oder oben im Herrenhaus auftauchst, vereinbare ich persönlich einen Termin beim Anwalt.« Ich lege auf und drücke das Handy auf mein vor Wut und Verbitterung hämmerndes Herz.
Tränen des Frusts und der Trauer brennen in meinen Augen. Wenn Emma nicht kommt, ist die Kleintierpraxis Otter House endgültig Geschichte, und das werde ich ihr niemals, wirklich niemals verzeihen.
Ich rufe noch kurz bei meiner Ärztin an, aber außer Ben ist niemand da. Er rät mir, nach Hause zu fahren und die Füße hochzulegen, und verspricht, nach der Sprechstunde vorbeizuschauen. Er erwähnt weder Emma noch die Praxis. Genauso wenig wie ich.
»Deine Tasche hast du doch gepackt, nicht wahr?«, fragt er. »Und hast du Alex Bescheid gesagt?«
»Ich rufe ihn gleich an«, verspreche ich, erreiche ihn allerdings nicht. Und was die gepackte Tasche angeht – hat schon mal jemand diesen Frauen verraten, dass sie ins Krankenhaus fahren, um ihr Kind zur Welt zu bringen, und nicht auf eine winzige Insel fernab jeglicher Zivilisation? Ich blicke auf meinen Bauch hinunter. Okay, ich habe es immer wieder hinausgeschoben – falls es noch eines Beweises bedurft hätte, dass ich die ganze Sache verdränge, hier ist er. Aber das wird schon klappen, beruhige ich mich. Erst bringen wir die Tiere ins Herrenhaus, und dann kann ich morgen früh noch immer kurz in die Stadt fahren, um ein paar Vorräte für den Kühlschrank und Windeln zu besorgen. Ich habe noch jede Menge Zeit: Selbst wenn die Wehen schon eingesetzt haben sollten, ist es mein erstes und einziges Kind, und das bedeutet, dass ich noch gut vierundzwanzig Stunden vor mir habe. So viel habe ich zumindest aus Emmas Buch gelernt.
»Ich schließe jetzt ab«, verkünde ich eine Stunde später, nachdem wir so viel wie möglich vor dem Wasser in Sicherheit gebracht haben. Die ganze Zeit über habe ich nach Emma Ausschau gehalten, doch sie ist nicht gekommen. Ich dachte, sie würde kommen. Ich hatte fest damit gerechnet …
»Die Feuerwehr kann uns nicht helfen«, sagt Frances. »Sie wird anderswo gebraucht.« Und als hätte ich sie durch meinen Entschluss, in meinem Zustand zum Herrenhaus zu fahren, beschämt, bietet sie an, ebenfalls ihren Wagen zu holen.
»Das löst immerhin das kleine Problem wegen Tripod und Ginge.« Frances zwirbelt die blonden Locken ihrer heutigen Perücke um einen Finger. »Außerdem wäre es schön, noch einmal meinen alten Arbeitsplatz zu sehen. Ich frage mich, ob einer der beiden Fox-Giffords zu Hause ist.«
»Alex jedenfalls nicht«, antworte ich und erkläre ihr, woher ich das weiß.
»Wie sollen wir dann reinkommen?«, will Shannon wissen.
»Ich nehme an, Sophia oder Lisa werden draußen auf dem Hof sein. Wir bitten sie um den Schlüssel.«
Kurz darauf gehe ich im Geiste noch einmal meine Checkliste durch. Haben wir alles getan, was wir konnten? Ich glaube schon. Während wir zögernd in der Pfütze stehen, die sich unter dem Vordach des Anbaus bildet, und hoffen, dass der Regen für einen Moment nachlässt, damit wir mit den Patienten zu unseren Autos laufen können, bete ich, dass das Wasser nicht noch höher steigt.
»Sollen wir rennen?«, fragt Shannon.
»Erwarten Sie ja nicht von mir, dass ich irgendwohin renne«, protestiert Frances, »nicht mit meinen Knien.«
»Wir warten noch ein paar Minuten«, erkläre ich. Die Schmerzen sind inzwischen so stark, dass ich mich ohnehin nur noch
Weitere Kostenlose Bücher