Dann muss es Liebe sein
wird klar, dass sie es ernst meint. Ich nehme mir vor, in Zukunft ein Auge auf Delphi Letherington zu haben.
»Wenn es dir ein Trost ist, Delphi, das mit den beiden wird nicht lange halten«, sagt Sophia. »Er wird bald merken, dass sie vollkommen ungeeignet ist.«
»Dafür wirst du schon sorgen, Sophia«, bemerkt der alte Fox-Gifford. »Daran habe ich keinen Zweifel.«
»Sie hat ihm mit ihrem Aussehen, ihrem hübschen Lächeln und diesem Großstadt-Getue den Kopf verdreht, aber wenn er sie noch ein paar Mal in gesellschaftlichem Rahmen ausgeführt hat, wird ihm schon klar werden, dass sie absolut keine Umgangsformen besitzt«, beharrt Sophia.
»Alexander zufolge ist sie in einer Sozialsiedlung aufgewachsen«, klärt Fox-Gifford Delphi auf.
»Also eher Slum-Chic als Stil. Ein bisschen asozial, um die Wahrheit zu sagen.«
Asozial? Ich bezweifle, dass Sophia auch nur ansatzweise bewusst ist, wie verletzend das ist. Wie kann sie es wagen, so über mich zu reden? Ich schäme mich nicht für meine Herkunft. Ich dränge die Tränen zurück und drücke den Rücken durch. Ich darf mir ihre Worte nicht so zu Herzen nehmen. Die Fox-Giffords sind diejenigen, die sich schämen sollten – sie benehmen sich abscheulich.
»Es war wieder einmal herrlich bei euch«, meint Delphi. »Silvester ist für mich immer der schönste Abend des Jahres.«
»Wir sind froh, dass du kommen konntest«, antwortet Sophia. »Es ist so schön, jemanden von der alten Garde bei uns zu haben. Es sind ja nicht mehr so viele von uns übrig, da müssen wir zusammenhalten. Wirklich unglaublich schade, das mit dir und Jake.«
Sophia erinnert mich an ein Lamm, das ich während des Studiums gesehen habe, eine Totgeburt mit zwei Köpfen, zwei Gesichtern …
Delphi hält abwehrend eine Hand hoch. »Mein erster Vorsatz fürs neue Jahr besteht darin zu vergessen, dass wir jemals verheiratet waren. Neues Jahr, neues Glück, neues Pferd. Ach, da fällt mir ein, ich wollte Alex noch bitten, sich ein Pferd anzusehen, das wir gerade auf den Hof bekommen haben. Er ist ein Wallach, und trotzdem versucht er, alles zu bespringen, was ihm unter die Augen kommt.«
»Wahrscheinlich ein Klopphengst«, vermutet der alte Fox-Gifford, und zu meinem Entsetzen setzen sie sich in Bewegung und kommen auf mich zu. »Da hat wohl jemand beim Kastrieren ein Ei übersehen. So was kommt vor.«
Ich überlege kurz, was ich tun soll, in die andere Richtung davonrennen oder mich der Begegnung stellen, und entscheide mich für Letzteres. Ich nicke ihnen zu und lächle, als sie an mir vorbeigehen. Nach außen hin gebe ich mich unbekümmert, aber in mir drin liegt mein Selbstvertrauen in Scherben. Ich verstehe einfach nicht, was Alex’ Eltern gegen mich haben. Ich hätte gedacht, ich wäre die perfekte Frau für ihn. Eine Tierärztin, die genau weiß, was es bedeutet, Notdienst zu haben und das halb aufgegessene Essen stehen zu lassen, um zu einem dringenden Fall zu rasen. Und wenn sie mich schon nicht als Mensch mögen, wundert es mich, dass sie sich nicht wenigstens von der Aussicht milde stimmen lassen, irgendwann vielleicht das Otter House zu übernehmen. Nicht, dass ich das jemals zulassen würde. Emma würde einen Anfall bekommen.
Die Situation geht mir an die Nieren. Ich erwarte ja nicht von ihnen, mich zu lieben wie eine Tochter, doch sie könnten mich zumindest mit etwas Respekt behandeln. Wenn schon nicht um meinetwillen, dann wenigstens Alex zuliebe.
Draußen sind die Autos mit einer dünnen Reifschicht überzogen, aber ich spüre die Kälte kaum, als Alex und ich Hand in Hand hinter Lucie und Seb über den Kies auf die Scheune zugehen. Lucie überredet uns, noch kurz beim Stall vorbeizuschauen, wo eine Lampe aufleuchtet und ein Pferd leise wiehert und den Kopf über eine der Boxentüren streckt. Kleine Dampfwölkchen entweichen aus seinen geblähten Nüstern, als wäre es ein Rauch speiender Drache.
Alex zieht eine Packung Minzbonbons aus der Hosentasche, dabei fallen auch ein paar Münzen auf den Boden, um die sich Lucie und Seb balgen.
Ich sehe zu, wie Liberty – so heißt die Stute – ein Pfefferminzbonbon zwischen den Zähnen zermalmt und in Alex’ Hand nach einem zweiten sucht. Er streichelt ihr braunes, wie poliertes Kupfer glänzendes Fell. Ich spüre seinen Blick auf mir.
»Manchmal habe ich fast den Eindruck, du wärst eifersüchtig«, sagt er.
»Mit ihr verbringst du wahrscheinlich mehr Zeit als mit mir.«
»Du kannst nicht auf ein Pferd eifersüchtig
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