Dann muss es Liebe sein
als dass mein Freund sie zu ihrer Schwiegertochter macht.
Ich rufe mir in Erinnerung, dass Alex sich für mich entschieden hat. Auch wenn es mir nicht leichtfällt. Meine beiden früheren Freunde hatten die unschöne Neigung, mich für andere Frauen zu verlassen. Doch ich werde nicht zulassen, dass Sophia mein Vertrauen zu Alex vergiftet. Diese Genugtuung gönne ich ihr nicht. Ich blicke wieder zu Alex hinüber, der aufschaut, in meine Richtung sieht. Langsam breitet sich ein Lächeln auf seinen Zügen aus, ein Lächeln, das nur für mich allein bestimmt ist und für einen Moment meinen Herzschlag aussetzen lässt. Dann dreht er sich zu der Frau neben ihm um und entschuldigt sich.
»Du siehst umwerfend aus, Maz«, sagt er, als er herankommt, einen Arm um meinen Rücken legt und mich aufs Ohr küsst, woraufhin Sophia sich entfernt, um »die Honneurs zu machen«, wie sie sich ausdrückt. »Komm mit.«
Wir verlassen den überfüllten Salon und gehen in die geflieste Eingangshalle, von wo aus eine ausladende Treppe, auf die der National Trust stolz sein könnte, in den ersten Stock hinaufführt. Vor meinem geistigen Auge sehe ich Generationen von kleinen Fox-Giffords, die johlend das glänzende Eichengeländer herunterrutschen.
Unter dem Gebinde aus Mistel- und Stechpalmenzweigen, das von der Decke herabhängt, dreht mich Alex zu sich herum und küsst mich, und dann noch einmal und noch einmal, bis …
»Daddy?«, ertönt plötzlich eine leise Stimme. »Daddy! Da bist du ja. Seb, ich hab ihn gefunden.«
Stöhnend tritt Alex einen Schritt zurück. Frustriert und entschuldigend zugleich sieht er mich an und lässt langsam meine Hände sinken, ehe er zu der Stelle aufschaut, wo die Treppe einen Bogen beschreibt.
Seufzend folge ich seinem Blick.
Zwei Augenpaare starren zurück. Ein etwa fünf- bis sechsjähriges Mädchen mit glattem hellblondem schulterlangem Haar schaut über den Handlauf, während ein ungefähr dreijähriger Junge, der mit seinen dunklen Locken und der entschlossenen Miene Alex wie aus dem Gesicht geschnitten ist, zwischen den Stäben hindurchlugt.
»Daddy, ist das deine Freundin?«, fragt das Mädchen.
»Du weißt ganz genau, wer das ist, Lucie.«
Ich bin Lucie und Seb schon früher begegnet, allerdings immer nur kurz, etwa wenn ihre Mutter, die sie sonntagabends zurück nach London holt, sich verspätet hatte.
»Tut mir leid, ich bin noch nicht dazu gekommen, es dir zu sagen.« Alex dreht sich zu mir um, und die kleinen leidenschaftlichen Bläschen, die in mir prickelten, beginnen nach und nach zu platzen, als er fortfährt: »Astra hätte sie eigentlich heute Nachmittag abholen sollen, aber ihre Rückreise von Verbier hat sich verzögert. Sie kann erst morgen hier sein.«
Das schmerzliche Sehnen weicht nagendem Ärger und Bedauern. Diese verdammte Astra und ihr Skiurlaub. Heute Nacht wollte ich Alex ganz für mich allein haben. Sobald wir uns mit Anstand verabschieden konnten – spätestens nach dem Ende der Party –, würden wir uns in die Scheune auf der gegenüberliegenden Seite des Hofs zurückziehen, in der Alex wohnt. (Anfangs hatte ich mir vorgestellt, wie er dort mit seinem Pferd zusammenlebt, Tee aus einem Eimer trinkt und auf einem Heuballen schläft, doch die alte Scheune ist zu einem Wohnhaus mit doppelverglasten Fenstern, fließendem Wasser und Stromanschluss umgebaut worden.) Ich hatte mir ausgemalt, wie wir leidenschaftlich umschlungen durch die Tür stolpern und Alex’ Hände auf der Suche nach dem Spitzensaum meiner halterlosen Strümpfe mein Kleid hochschieben, während sich meine Finger an seinem ledernen Gürtel zu schaffen machen. Ich dachte, wir würden auf dem Weg zum Feuer im offenen Kamin unsere Kleider über den Boden verstreuen, und dann …
Alex versetzt mir einen sanften Stoß, ehe ich allzu sehr in Verzückung gerate.
»Ach, das macht doch nichts. So etwas kommt vor«, antworte ich und bemühe mich dabei, meine Stimme beiläufig klingen zu lassen. Vielleicht ist es ja auch besser so, denn mir ist gerade eingefallen, dass ich in der ganzen Hektik heute Abend die Tasche mit meiner Zahnbürste und anderen Kleinigkeiten, die ich für die Nacht brauche, vergessen habe. »Dann rufe ich mir eben nachher ein Taxi.«
»Danke, Maz.«
Ich schaue hoch, als Alex’ Kinder die Treppe herunterstürmen.
»Hallo, ihr zwei«, sage ich, aber sie sehen mich nur schweigend an. Lucie hat ihr mit Pailletten besetztes goldenes Kleid hochgezogen und drückt es an ihre Brust,
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