Dann muss es Liebe sein
erscheint auf dem Bildschirm. Ich habe gerade eine Lücke.
»Emma.« Ich muss es ihr sagen. Mein Herzschlag dröhnt in meinem Kopf, als ich den Mund öffne und die Worte einfach heraussprudeln. »Es geht um mich und Alex.«
Emma zögert. »Will er endlich eine ehrbare Frau aus dir machen?«
Kläglich schüttele ich den Kopf.
»Ihr habt euch getrennt.«
Mir gefällt die Art nicht, wie sie das sagt. Sie formuliert es nicht als Frage, sondern als Feststellung, als sei es das, was sie im Stillen die ganze Zeit gehofft hat, seit wir zusammengekommen sind. Es liegt sicher nicht daran, dass sie mich unglücklich sehen will, sondern eher, dass es ihr gefallen würde, wenn Alex leidet.
»Nein, eher das Gegenteil. Wir – ich bin schwanger.«
Es folgt ein unbehagliches Schweigen, und ich sehe, wie die Verständnislosigkeit in Emmas Miene nach und nach schmerzlicher Erkenntnis weicht.
»Ich dachte – ich wollte, dass du es weißt, bevor es sich überall herumspricht. Es tut mir leid.«
»Das muss es nicht, Maz.« Emma hebt beide Hände. »Das ist eine wunderbare Neuigkeit. Wirklich. Ich freue mich für dich. Es kommt nur so unerwartet, das ist alles. Du hast doch immer gesagt …« Ihre Stimme verklingt.
Es war ein Unfall, will ich ihr sagen, ein dummer Unfall.
»Ich hatte es fast geahnt. Frances hat so eine merkwürdige Bemerkung gemacht. Wie lange weißt du es schon?«
»Ich konnte es dir nicht früher sagen.« Ich sehe, wie eine Träne über Emmas Wange rollt, und ein Knoten bildet sich in meiner Kehle. »Ich hatte Angst, du könntest mich dafür hassen«, füge ich leise hinzu.
»Dich hassen? Das kann ich doch gar nicht.« Ihre Züge fallen in sich zusammen. »Oh, du dachtest …«
»Ich wusste, dass es dir wehtun würde …«
»Das tut es nicht.« Emmas Körper versteift sich. Sie steht unnatürlich gerade, den Rücken durchgedrückt, die Hände gefaltet. »Ich freue mich für dich. Wirklich.« Sie beißt sich auf die Lippen und ringt eine Weile um Fassung, bis vorne am Empfang Lärm losbricht. Kinderstimmen, Hundegekläff und schließlich das alles übertönende schrille Weinen eines Babys – das genügt, um Emmas Schultern heruntersacken zu lassen. Sie gibt einen erstickten Laut von sich, dreht sich um und rennt durch den Flur davon.
»Emma. Emma!« Ich folge ihr, aber sie läuft hinaus in den Garten und schlägt mir die Tür vor der Nase zu.
»Lassen Sie sie ein paar Minuten allein«, meint Frances hinter mir.
»Ich hätte es ihr nicht sagen sollen.«
»Doch, das mussten Sie«, antwortet sie sanft. »Sie musste es von Ihnen erfahren, von niemandem sonst.«
»Von Ihnen zum Beispiel.«
»Ich muss zugeben, es ist mir schwergefallen, nichts zu verraten.« Frances lächelt. »Dann hatte ich also recht? Ich wusste es schon die ganze Zeit.«
»Ich kann sie doch nicht da draußen lassen.« Ich schaue durch die Glasscheibe. Emma sitzt mit gesenktem Kopf auf der alten Schaukel hinten im Garten. Die ersten Regentropfen fallen aus den immer dunkler werdenden Wolken.
»Sehen Sie erst noch nach Raffles«, rät mir Frances. »Lynsey hat drei ihrer Jungs und das Baby dabei.«
Ich bin ihr dankbar für ihre Umsicht und ihr gutes Gedächtnis. Beim letzten Mal, als Lynsey Pitt mit ihren Jungs hier war, haben sie die halbe Praxis zerlegt, Diätfutterpackungen aufgerissen und mit einem Lippenstift, den sie aus Frances’ Handtasche hinter dem Tresen geklaut hatten, unanständige Wörter an die Wände geschmiert. Lynsey hat sie absolut nicht im Griff. Während sich Frances um das Baby kümmert, überrede ich die drei Jungen, mir bei der Untersuchung von Raffles zu assistieren, der eine Entzündung an der Pfote hat. Ich gebe jedem von ihnen etwas in die Hand: eine Pinzette, einen Kochsalztupfer und ein Leckerli. Es funktioniert perfekt – bis auf die Tatsache, dass das Leckerli auf wundersame Weise verschwindet, bevor ich fertig bin. Wer hat es gegessen? Ich weiß es nicht genau, und ich frage auch nicht nach. Ich gebe Raffles einfach ein anderes, falls er das erste nicht bekommen haben sollte.
Ich sehe Emma mittags im Personalraum wieder, wo sie auf dem Sofa sitzt und lustlos an einem Donut herumknabbert. Ich setze mich neben sie, und das Sofa ächzt unter dem zusätzlichen Gewicht.
»Tut mir leid, dass ich vorhin einfach rausgerannt bin«, sagt sie langsam.
»Kein Problem. Das verstehe ich.«
»Nein. Nein, das verstehst du nicht. Niemand versteht das.«
»Dann lass es mich wenigstens versuchen«, bitte ich.
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