Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
Fanfaren ertönen. Hurray!
Wir befinden uns in Woche eins nach Befruchtung. Und wie gesagt: Sehen kann man noch nichts. Gar nichts. Aber Engelchen möchte das Bild vom Nichts so gerne haben. Und bettelt mich mit untertellergroßen Unschuldsaugen an. Wie mein Hund, wenn er das Leckerli so gerne hätte …
»Pass auf, Engelchen«, drohe ich mit strengem Vater-Chaos-Blick. »Bild gibt’s nur, wenn du bis zur Geburt nicht mehr hier auftauchst, okay? Nur noch Ultraschall in der Frauenarztpraxis, alles klar?« Ich werfe die gerunzelte Augenbrauen-Nummer hinterher, und Engelchen nickt so heftig mit dem Kopf, dass ich fürchte, er könnte jeden Moment abfallen. Also bekommt sie ihr Mini-Fruchthöhle-in-Gebärmutterschleim-Bild. Ich denke, mein Schwein pfeift, als die Frau vom Stuhl hüpft, die Ambulanzzimmertür ohne Hose sperrangelweit aufreißt und quer durchs Wartezimmer brüllt: »Schbaaaaaatzl? Kommscht Bäbie gugge …?«
Schbatzl, offensichtlich blendend erzogen, kommt augenblicklich angerannt, wirft einen kurzen Blick auf das Mini-Fruchthöhle-in-Gebärmutterschleim-Bild und stellt die Frage, auf die ich insgeheim schon die ganze Zeit gewartet habe: »Isch’s a Buab oder a Madl?«
Ich würde jetzt gerne zu Schwester Totalausfall nach Station 8a gehen, um mit ihr gemeinsam ein bisschen Amok zu laufen. Stattdessen beantworte ich gefühlte tausend sinnfreie Fragen, bevor es mir endlich gelingt, Familie Engelchen aus meiner Ambulanz zu komplimentieren. Ich verwette meinen Hintern, dass die schon morgen beim nächsten armen Kollegen-Schwein auf der Matte stehen …
Langsam kehrt wohl Nacht, aber leider kein bisschen Ruhe ein, denn als ich kurze Zeit später über Station 8a schleiche, um nach Schwester Totalausfalls Befindlichkeit zu schauen, laufe ich fatalerweise mittenmang in eine privatversicherte Carcinophobie – so nennt man die krankhafte Angst vor allen bösartigen Krebserkrankungen –, die mich augenblicklich in ein völlig irreales Gespräch über ihre bösartige Grunderkrankung und dem damit verbundenen tödlichen Ausgang verwickelt. Dabei hat die Frau gar nichts – ich schwöre –, es musste lediglich eine harmlose Ausschabung vorgenommen werden. Und die wurde auch nur gemacht, um endlich Schwarz auf Weiß bescheinigen zu können, dass da NICHTS ist! Kein Krebs! Fertig! Aus die Maus! Doch Frau Carcinophobie möchte jetzt ganz dringend von mir wissen, ob es normal ist, dass man nach einer Ausschabung Fieber entwickelt …
»Frau Carcinophobie, Sie haben kein Fieber!!!«
…, ob das Fieber nach einer Ausschabung schneller zum Tod führt …
»Glauben Sie mir: Sie HABEN KEIN Fieber!
… und wie lange genau sie in etwa noch zu leben habe …
»SIE – HABEN – KEIN – FIEBER!«
Dabei hat mich Chefarzt Böhnlein die Tage noch explizit vor dieser Frau gewarnt. »Dr. Josephine«, hat er gesagt. »Wenn Sie der Patientin Carcinophobie begegnen, dann rennen Sie so schnell Sie können !« Das hat er mir gesagt! Hätte ich mal besser gemacht. Zum Glück rettet mich schon nach wenigen Minuten – zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk – das Diensttelefon aus dieser misslichen Situation, denn Frau von Sinnen erwartet mich »stat« im Kreißsaal: Muttermund vollständig, Köpfchen auf Beckenboden, und rien ne va plus – nichts geht mehr!
Als ich drei Minuten später – im Schweinsgalopp von Station 8a herübergerannt – japsend und keuchend im Kreißsaal eintreffe, geht es meiner Patientin erschreckend gut – die PDA sitzt wie eine Eins, Frau Schwarz verspürt sehr wohl noch Druck, aber keinen Schmerz und ist somit ausgesprochen glücklich und willig. Und warum in aller Welt habe ich mir jetzt den Wolf gerannt? Schwanger? Hm?
Hand aufs Herz – eigentlich kann ich PDAs nicht leiden! Denn auch wenn es wissenschaftlich letztlich nicht erwiesen ist, machen sie immer wieder hässliche CTGs, zögern obendrein die ganze Entbindungsnummer länger hinaus, als unbedingt nötig, und sorgen auch sonst für mehr Kummer als Freude. In diesem ganz speziellen Fall hat uns die Rückenmarksanästhesie jedoch tatsächlich vor dem drohenden Kaiserschnitt gerettet. Jetzt müssen wir nur noch schauen, dass wir das Ding auch sauber nach Hause fahren.
Und das machen wir dann auch: 20 Minuten und fünf lehrbuchmäßige, durch den Wehentropf angeschubste Presswehen später haben wir Frau Schwarz von einem ganz reizenden, munter vor sich hin brüllenden Baby entbunden.
Nachdem ich mich
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