Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
vorsorglich in einer Ecke, das Pferd muss nämlich vorab erst noch adäquat präpariert werden, da diese wählerischen Apotheker-Blutsauger nämlich beileibe nicht überall hineinbeißen. Verwöhntes Volk, man sollte meinen, Blut ist Blut und gut. Doch weit gefehlt: Erst muss rasiert werden, dann muss das Tier ans Pferd – alles nicht ganz einfach.
Nachdem der misstrauisch dreinblickende Wallach an entsprechender Stelle vorschriftsmäßig vom Haar befreit ist, folgt die feierliche Öffnung des Egelglases. Kind, Pferd und ich glotzen gleichzeitig angespannt in das Becherchen in meiner sachte zitternden Hand. Und wir sehen – nichts !
»Das ist ja leer. Wo sind die denn alle hin?« Meine Tochter schreit spitz auf, woraufhin Maverick einen schreckhaften Hüpfer zur Seite macht und mir mit seinen beinahe 650 Kilogramm Lebendgewicht fast auf den Schoß springt.
Nun – Egel sind offensichtlich die Klassenclowns des skelettlosen Tierreichs. Alle vier Tiere hängen nämlich lustig am Dosendeckel herunter.
Gepfiffen auf Schwangerschaftsübelkeit und Egel-Ekel: Wir müssen jetzt endlich mal zu Potte kommen. Beherzt packe ich also eines der herumhängenden Tierchen mit meiner Pinzette und ziehe. Zunächst zaghaft, dann stärker. Kind weiblich zieht hörbar Luft durch die Nase, während das Pferd mich – angestrengt Heu kauend – misstrauisch anglotzt.
Nun sollte man meinen, der kooperative, medizinische Egel an sich versteht, was Frau Doktor will, und lässt freiwillig seinen angesaugten Deckel los, wenn man es von ihm verlangt. Weit gefehlt! Das von mir anvisierte Egel-Tier zeigt aber auch keinerlei Entgegenkommen! Je heftiger ich ziehe, desto länger wird es. Loslassen ist nicht.
Schlack noch eins! Sind wir hier bei »Verstehen Sie Egel-Spaß«?
»Echt jetzt, Mom, das ist sooo widerlich! Das geht gar nicht! Ich muss gleich brechen!«
»Nichts gibt’s, Kind! Keiner bricht hier. Wir sind Frauen, wir schaffen das!«
Keine Ahnung wie oder warum, aber von jetzt auf gleich hat der empathischste der vier Egel sich doch noch seines Heilungsauftrages erinnert und lässt sich willig vom Deckel pflücken und dann tatsächlich vorschriftsmäßig am Pferdebein anlegen. Und siehe da – der Egel beißt. Wie schön! Erleichtert schnaufe ich durch und grinse meine skeptisch dreinblickende Tochter an, die das noch skeptischer dreinblickende Pferd vorsorglich am Halfter hält.
»Seht ihr – geht doch eigentlich ganz einfach!«
Zwei Millisekunden später stellt Maverick fest, dass er Blutegel nicht leiden kann, und reißt – empört schnaubend – sein Bein in die Höhe, um den lästigen Blutsauger schnellstmöglich abzuschütteln. Schade nur, dass mein Kopf sich genau auf Höhe seines Bewegungsradius befindet.
Nachdem die Sternchen vor meinem inneren Auge wieder verschwunden sind und ich relativ sicher bin, keinen Schädelbasisbruch erlitten zu haben, kratze ich den Empathie-Egel voller Mitleid von der gegenüberliegenden Stallwand, an die er kurz zuvor geschleudert wurde. Dieser Flug-Egel ist hin, soviel ist klar. Weswegen jetzt sein Nachfolger Eddy-Egel an der Reihe ist und eigentlich leichtes Spiel haben sollte. Sollen ja, wollen nein. Wahrscheinlich hat er Empathies Freiflugstunde mit angeschaut, denn egal wie, Eddy will schlicht nicht anbeißen. Dann, ganz zum Schluss, funktioniert doch noch der alte Egel-Schnapsglastrick: Eddy rein ins Glas, Glas auf Bein, Eddy beißt. Voilà! Geht doch!
Da das Töchterlein nun wohlweislich einen der beiden Vorderhufe hochhält, um das Pferd am erneuten Austreten nach hinten zu hindern, kann Egel-Eddy tatsächlich ungestört seiner Arbeit nachgehen – bis, ja bis Maverick irgendwann so hibbelig wird, dass das Kind den Huf nicht mehr länger halten kann und loslassen muss –
»Aaaachtung!«
Und mit einem beherzten Sprung in die Stallgasse entgehe ich nur knapp einem Zusammenstoß mit Eddy dem E(a)gel, der verstört dreinschauend in seinem Glasflugkörper an mir vorbeischießt!
»Ich denke, Alternativmedizin ist nicht das Richtige für unser dickes Pferd!«, fauche ich böse in Richtung des schuldigen Vierbeiners, während ich mir genervt Staub und Stroh aus der Kleidung klopfe und vorsichtig mein Hinterteil betaste, auf dem ich höchst unsanft gelandet bin. Doch besagtes Tier blitzt mich, kein bisschen schuldbewusst, lediglich mit wildrollenden Augen und weitgeblähten Nüstern böse an.
»Komm mir ja nicht mehr zu nahe!«, soll das wohl heißen, und auch Kind zwei,
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