Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
anschließend – fürsorglich wie ich nun einmal bin – auch noch vergewissert habe, dass Schwester Totalausfall weder sich noch ihre Patientinnen getötet hat, bleibt sogar Zeit, ein paar gemütliche Stunden im warmen Dienstbett zu verbringen. Wäre jetzt noch das Wie-beichte-ich-es-nur-dem-Ehemann-Problem gelöst – die Nacht könnte tatsächlich eine schöne werden …
Wie man Blutegeln das Fliegen beibringt
Okay, heute ist der Tat der Wahrheit. Heute werde ich es endlich beichten. Ich schwöre!
Enthusiastisch und mit lautem Knall stelle ich mein Wasserglas auf dem geliebten Esszimmer-Vollholztisch ab, ordentlich mit Schmackes, als würde die Beichte dadurch einfacher werden – und fühle mich aber tatsächlich kein bisschen besser.
»Mom? Alles klar? Wenn wir das machen, bekommst du jedes Mal einen Anfall!«
Ich habe schlicht vergessen, dass ich gar nicht alleine am Tisch sitze. Und so blicke ich – frisch erwacht aus meiner Tag-Albträumerei – in das vorwurfsvolle Gesicht meiner einzigen Tochter, die mir gegenüber sitzt.
»Ähm, ja …, ja …«, stottere ich leicht verwirrt »Mir – äh, ja, mir … – fiel nur gerade ein, dass ich vergessen habe, die Blutegel aus der Apotheke mitzubringen. Verdammt!«
Gottlob ist mir gerade noch rechtzeitig unser fußkranker Gaul eingefallen – und dass ich Kind zwei, weiblich, versprochen habe, heute Nachmittag diese Empfehlung einer alternativen Veterinärmedizin als letzte Hoffnung an ihrem Pferd auszuprobieren.
Maverick, ein beeindruckender, aber ungleich störrischer Wallach mit dem atemberaubenden Stockmaß von 1 Meter 92, ist mittlerweile 20 Jahre alt und das personifizierte schwarze Loch unseres Haushaltsbudgets. Alles Geld, das nicht direkt in die Finanzierung seines ungeheuren Appetits fließt, bekommt unser Tierarzt monatlich für Spritzen, Salbenverbände, Tabletten und sonstigen medizinischen Schnickschnack in den Rachen gestopft, während der klägliche Rest dem Hufschmied und der Stallpacht anheimfällt. In den zehn Jahren, die wir den allesfressenden Riesen nun schon besitzen, haben wir locker den Gegenwert einer schnuckeligen Kleintierpraxis in diese gesundheitlich äußerst labile Fressmaschine investiert – was der Häufigkeit seiner Wehwehchen jedoch keinerlei Abbruch tut: Zwei Wochen reiten – eine Woche krank – drei Tage reiten – acht Wochen krank.
Herr Chaos droht seit Jahren täglich damit, das schwarze Ungetüm endgültig beim nächstbesten Pferdemetzger »in die Wurst« zu geben – allein, die großen, treuen Augen seiner Lieblingstochter haben ihn bis jetzt noch jedes Mal erfolgreich von diesem Vorhaben abgehalten.
Besagte Lieblingstochter und ich haben uns nun also im Vorfeld ausführlich über die alternativen Zusatztherapien der fiesen Fuß-, nein, Huf krankheit kundig gemacht (Mavericks neuestes Zipperlein!) und sind dabei auch auf optimistisch stimmende Berichte über Blutegel gestoßen. Woraufhin wir kurzerhand ein Probeteam an Blutsaugern in der Apotheke unseres Vertrauens bestellt haben. Und – zurück auf Anfang – just jenen Trupp tierischer Hilfsmediziner habe ich also heute vergessen abzuholen.
»Mooooooom! Du hattest es VERSPROCHEN!« Wild mit dem Löffel gestikulierend und Tomatensoße auf dem Tisch verteilend, schaut mich das Mädel vorwurfsvoll an.
»Kind, dass ich sie noch nicht abgeholt habe, heißt nicht, dass ich sie gar nicht holen werde. Wir nehmen sie mit, bevor wir zum Stall fahren. Alles klar?«
Alles klar
Drei Stunden später sind wir – bewaffnet mit vier ekligen Egeln im hübsch beschrifteten Apothekerglas und allerlei Extra-Werkzeug – auf dem Weg zum Stall.
Das Pferdegut liegt im warmen Licht der nachmittäglichen Frühlingssonne, und weil unser Riesenpferd Sonne für sein Leben gern mag, suchen wir ihm für die Operation »Egel One« ein hübsches Plätzchen in der hintersten Ecke des riesigen Hofes, direkt neben einem schönen, fetten Heuballen. Ablenkung ist die halbe Miete, und kaum ist Maverick angebunden, hängt er auch schon bis zu den Ohren im Nachmittagssnack.
»Die musst du aber rausholen! Ich ekel mich ganz fürchterlich vor denen!« Mit spitzen Fingern hält Kind zwei mir das Egelglas entgegen und schüttelt sich angewidert. Zugegeben: Die Dinger sehen schon fies aus. Am liebsten würde ich mich rumdrehen und gehen.
Reiß dich zusammen, Josephine! Mütter flüchten nicht, Mütter tun höchstens ihre Pflicht. Auf jetzt!
Ich parke die Egel-WG
Weitere Kostenlose Bücher