Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
willst du von mir? Ist doch alles in Ordnung – schick die Frau heim, um Himmels willen!«
»Ja, prima! Dann mach ich das!« Spricht’s und legt hörbar erleichtert auf, während ich, reichlich verdattert, mein Telefon anglotze. Was bitte war das denn gerade?
Ich wende mich erneut Mrs Kennedy zu, die nun – unverhohlene Missbilligung verbreitend – ihre perfekt manikürten Fingernägel (Chanel – No. 475 Dragon) betrachtet.
»Vielleicht könnten Sie sich jetzt endlich einmal meiner Wenigkeit widmen? Falls es nicht zu viele Umstände bereitet …« Der Sarkasmus tropft aus jeder Pore ihres wohlrestaurierten Gesichts.
Ist ja gut! Ich mach ja schon!
Was denn das Problem sei, frage ich die Patientin. Nun, teilt sie mir ganz unverfroren mit, sie hätte – bitte, danke, gerne – einen Komplett-Check!
»Wie jetzt – ›Komplett-Check‹?« Hallo? Wir sind schließlich keine KFZ-Werkstatt!
Mrs Kennedy, nun doch entnervt ob meiner fehlenden Einsicht, Kompetenz und was sonst noch, will offensichtlich gerade zum verbalen Gegenschlag ausholen, als – oh, Wunder – das Handy wieder läutet und via Display-Erkennung erneut das rehäugige Waldtier ankündigt.
»JAA?«
Ich bin nicht genervt! ICH doch nicht!
Jemand schluckt trocken am anderen Ende der Leitung. Wenn ich jetzt nicht gleich auch noch die Visite selbst machen möchte, während Bambi für Stunden heulend auf der Toilette verschwindet, muss ich mich ein bisschen zusammenreißen. Also lege ich etwas milder nach.
»Bambi! Sprich schnell, oder schweige für immer!« Ehrlich gesagt mache ich mir gerade ein wenig Sorge um mein Leben, denn Mrs Kennedy zieht jetzt hörbar Luft durch die Nase, während sich das Rot ihrer Wangenknochen (Chanel No. 30 Tweed Rose) zügig über das komplette Gesicht verteilt. Doch Bambi – offensichtlich im schönsten Adrenalinrausch – kommt jetzt gerade erst in Fahrt.
»Es ist wegen Frau Bommel.«
Kennichnich, denk ich mir.
»Kenn ich nicht! Was ist mit ihr?«
»Frau Bommel ist eine Schwangere in der dreiundzwanzigsten Woche mit Harnwegsinfekt. Zweite Schwangerschaft. Der Verlauf der ersten war völlig normal. Hat vor drei Jahren spontan entbunden …«
Die roten Flecken in Mrs Kennedys Gesicht haben nun die Perlenhalsketten-Grenze erreicht und breiten sich weiter gen Süden aus, während ihre brilliantenbesetzte rechte Hand stakkatoartig auf meinen Schreibtisch trommelt.
»… erste Vorstellung beim Frauenarzt in der fünf plus zwei Schwangerschaftswoche. Im Ultraschall zeitgerecht entwickelter Embryo. Sie hatte eine Nackenfaltentransparenzmessung in Woche zwölf plus drei …«
Ich zähle stumm bis zehn, hole tief Luft, bevor mir der Geduldsfaden mit lautem »Pling« reißt.
»BAMBI! Komm auf ’n Punkt!«
Meine Kollegin, nun mit zartem Tremolo im Stimmchen, fährt tapfer fort.
»Aktuell keine Beschwerden mehr, Labor und Urin normal, Ultraschall zeitentsprechend. Darf die Patientin nach Hause?«
Gerne würde ich jetzt ein bisschen schreiend durch die Gegend laufen, säße da nicht immer noch Chanels Vertreterin guten Geschmacks in meiner Ambulanz. Ich versuche es also zur Abwechslung mit Sarkasmus.
»Nein, Bambi, Frau Bommel sollte vorsichtshalber die kompletten siebzehn Wochen bis zum Entbindungstermin in unserer schönen Klinik bleiben!«
Fasziniert beobachte ich, wie sich Mrs Kennedys Brustkorb in beängstigendem Tempo hebt und senkt, hebt und senkt, während Chanels Tweed Rose gerade vollständig in körpereigenem Rot verschwindet.
»Ahhhhhhh«, tief beeindruckt haucht Bambis Stimme in mein Innenohr, und mir schwant Übles. »Ist gut! Ich sag es ihr!«
Spricht’s und legt auf.
Nachdem ich fast hyperventilierend das Bambi umgehend zurückgerufen und angewiesen habe, die arme Frau Bommel selbstverständlich stehenden Fußes nach Hause zu entlassen, hat meine Patientin gesichtsfarbentechnisch von Tweed Rose nach Royal Blau gewechselt und steht nun kurz vor der Schnappatmung. Doch bevor es so weit kommt, will ich wenigstens noch schnell in Erfahrung bringen, was sie heute und hier von mir will.
Schwer schnaufend, als müsse sie ihre letzten Energiereserven für diese Antwort mobilisieren, presst sie mit eisiger Stimme heraus: »Ich fliege morgen für drei Monate zu meinem Sohn nach Fort Lauderdale und möchte mich heute noch komplett durchchecken lassen! Abstrich, Ultraschall – von den Eierstöcken und hier …« – mit ihrer perfekt manikürten Hand führt sie kreisende
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