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Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)

Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)

Titel: Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Josephine Chaos
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jetzt auch noch ein bisschen am Wagen festhalten, so schüttelt es ihn. Der Ralf hingegen hat Erbarmen mit mir und meiner langen Leitung.
    »Mädschen – willstu MIT oder OHNE Horn und Licht fahren?«
    ACH, SOOOOOO!
    »MIT Horn und Licht, selbstverständlich, diese Fahrt ist so was von Sonderrecht, ich sach euch …!«
    Froh, es endlich doch noch kapiert zu haben, klettere ich zu Frau Ühy in den Wagen, während Ralf dem Boris ein Taschentuch reicht, damit der kleine Rettungswagenkumpel sich die Lachtränen aus dem Gesicht wischen kann. Noch einmal kurz gegluckst, dann ist die Heckklappe auch schon zu, und los geht’s!

    35 Minuten später ist der Spaß dann leider schon wieder vorüber, was nichts daran ändert, das ich mich für die nächsten Wochen im totalen Geschwindigkeits-Horn-Licht-Rausch befinden werde. Hätte Frau Ühy unterwegs beschlossen, blutdrucktechnisch zu entgleisen, zu krampfen oder gar zu entbinden – nichts hätte ich mitbekommen, rein gar nichts! Josephine out of order im totalen Top-Gun-Feeling. Eine MiG fliegen kann auch nicht schöner sein … Sollte ich vielleicht doch noch schnell auf Anästhesie umsatteln?
    Noch bevor ich ausführlich darüber nachdenken kann, wird auch schon die Heckklappe aufgezogen, und da steht es dann – das komplette Empfangskomitee des Perinatalzentrums Stufe I, und erst jetzt wird mir wieder bewusst, was da alles so in einem akademischen Lehrkreißsaal unterwegs ist – mitten in der Nacht! Und wie viel Wind die immer gleich um alles machen.
    Die (Ober-)Hebamme der Abteilung drückt erst mir, dann der Patientin freundlich distanziert die Hand und erteilt anschließend in kasernenmäßigem Befehlston die ersten Anweisungen an etwa fünf herumwuselnde Untergebene:

    »Ans CTG! Labor abnehmen! Abstrich vorbereiten! Blutdruckgerät anbringen! Papiere fertig machen!«
    »Danke, bitte, gerne geschehen«, sagt man an universitären Einrichtungen wohl immer noch nicht, denke ich bei mir, während ich Frau Ühy mit wichtiger Miene Richtung Kreißsaal folge.
    Kaum in den heiligen Hallen eingetroffen, fegen auch gleich alle untergebenen Hühner in blinder Hast auseinander, um sogleich CTG, Labor, das Bett, die Pädiatrie und den Herrn persönlich vorzubereiten. Währenddessen wendet sich die Chefin erneut meiner Wenigkeit zu und meint hoheitsvoll (und wie mir scheint ein klein wenig ehrfürchtig): »Frau Dr. Super-Geburtshelferin kommt sofort, wenn Sie kurz hier warten möchten?«
    Klar möchte ich. Kaffee und Kekse wären auch toll, aber es geht auch so.
    Fasziniert beobachte ich, wie die Oberbefehlshaberin an der Tür zum Kreißsaal klopft und dann – mit der Hand auf der Klinke – wartet, bis von innen ein kurzes »Herein« ertönt. Okaaay, geklopft wird bei uns auch, aber dann latscht jeder direkt rein, nix mit vornehm warten und so …
    Zwei Minuten später übergebe ich einer circa zwölfjährigen, deutlich überambitionierten Rothaarigen meine Patientin. Mal Spaß beiseite jetzt : Wie alt sind die Kinder heutzutage, wenn sie Medizin studiert haben?
    Noch während ich das Kind ein wenig fassungslos anstarre, fängt es an – gänzlich unbeeindruckt von meiner offensichtlichen Verwunderung – zu sprechen.
    »Guten Abend, mein Name ist Dr. Super-Geburtshelferin.«
    Mein Name ist Josephine, ich bin auch ganz super, und du bist ganz schön arrogant.
    »Hallo – ich bin Dr. Josephine Chaos! Hübsch habt ihr’s hier!« Ich grinse ihr aufmunternd zu. Vielleicht ist die Kleine nur schüchtern? Konfrontation als Schutz, oder so? Aber Rotschopf blickt nun ihrerseits irritiert und gibt dann unmissverständlich zu verstehen, dass sie nicht an Smalltalk mit Mitarbeitern drittklassischer Nicht-Perinatalstufe-I-Zentren interessiert ist.
    »Haben Sie der Frau denn ein blutdrucksenkendes Medikament verabreicht?«
    Nee, Puppe, wir wollten einfach mal sehen, wie hoch der noch geht – und bei 220 zu 180 hätte ich eine Pizza gewonnen!
    »Sicher doch. Blutdrucksenkendes Mittel. Per Infusomat über mehrere Stunden – steht auch im Verlegungsbericht!«
    Rotschopf wirft jetzt tatsächlich einen minimal interessierten Blick auf meinen liebevoll zusammengeklöppelten Arztbrief.
    »Und Lungenreifung? Wurde die schon begonnen?«
    Sach ma, Hase, kannst du lesen?
    »Jepp – steht auch im Verlegungsbericht!«
    Erneut wandert der Blick des Kindes aufs Papier. Ihre Stirn runzelt sich, als müsste sie sehr angestrengt über etwas wirklich Wichtiges nachdenken.

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