Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
gesagt mit der schlimmstmöglichen Realitätsform ever: Dem oberärsch … – Verzeihung: ober ärztlichen Allgemeinchirurgen!
Zum besseren Verständnis: In jeder anständigen Klinik gibt es einen Chirurgen, dessen einziger und ausschließlicher Lebensinhalt darin besteht, andere Leute niederzumachen. Solche Ärzte verspeisen am allerliebsten unwissende Studenten oder Assistenzärzte mit kleinem Ego. Zum Frühstück. Ohne Kaffee. Und dem Bambi wurde ja quasi vom Schicksal auf die Stirn tätowiert: »MACH MICH FERDDISCH!«
Die Geschichte, um die es geht, ist so alt wie die Fehde zwischen Chirurgen und Gynäkologen. Der Chirurg will immer nur eines: im OP stehen und den Dicken geben. Aufschneiden, reingucken, rumwühlen, hier ein bisschen wegmetzeln, dort ein bisschen ansäbeln, zutackern – FERTIG! Was er nie und auf gar keinen Fall gebrauchen kann, ist das ordinäre Patientengespräch. Denn Patientengespräche halten einen nur vom großen Chirurgen-Plan ab: wegmetzeln, ansäbeln, zutackern … Geht gar nicht!
Jetzt ist es aber so, dass die Hälfte aller Patienten nicht einfach per Blickdiagnose in den OP befördert werden kann. Nein, man muss vorher wenigstens ein Minimum an Einsatz zeigen: Krankengeschichte, körperliche Untersuchung, Ultraschall. Was jedoch für den aufstrebenden Aufschneider nichts anderes ist als schnöde Zeitverschwendung. Der fände es nämlich am allerbesten, der Patient käme morgens fertig indiziert, prämediziert und auch gleich schön anästhesiert auf einem Fließband zum OP gefahren und er, der Chirurg, müsste dann nur noch herzhaft zuschneiden. Harhar!
Weil das so aber nicht geht, hat die Chirurgie sich eine List einfallen lassen, den unbedingt notwendigen Patientenkontakt auf ein Minimum zu reduzieren: DIE KONSILIARISCHE VORSTELLUNG! Oder kurz: der gemeine TURF! Und das funktioniert wie folgt …
Der Chirurg stellt sich erst einmal dumm und deshalb alle Patienten unmittelbar nach Aufschlagen in der chirurgischen Ambulanz bei irgendeinem Kollegen einer doofen anderen Fachrichtung vor. Frauen werden hierbei am liebsten zum Gynäkologen geschickt und die Männer in die Innere. Während die unwissenden Gynäkologen und Internisten nun brav eine Anamnese erheben, Bäuche betasten und Organe schallen, anschließend seitenweise Konsiliarbögen und Aufklärungen ausfüllen, muss der Chirurg nach Rückführung des Patienten in seine eigene Abteilung nur noch das tun, was vom Tage übrig bleibt: OPERIEREN!
Clever, die Jungs, oder? Man könnte fast ein wenig neidisch werden.
Jetzt aber zurück zu Bambi – was war bloß geschehen? Nun – Bambi hat schlicht den konsiliarischen Einsatz übertrieben. War klassisch übers Ziel hinausgeschossen. Aber so was von! Au weia …
Das Drama begann gegen 18.30 Uhr am Abend zuvor, als eine Patientin fortgeschrittenen Alters mit eindeutigen Gallenbeschwerden (Oberbauch, rechts, kolikartig) in der Ambulanz des diensthabenden Chirurgen aufschlug. Dieser Kollege – das Rundum-Sorglos-Konsiliar-System aus dem Effeff beherrschend – turfte die Patientin ohne Umwege weiter in die Gynäkologie, wo das Bambi gerade brav Dienst schob.
Zeitgleich informierte er jedoch auch seinen zuständigen Oberarzt, dass es wohl demnächst noch eine hübsche Bauchspiegelung zu machen gäbe. Betreffender Oberarzt Dr. Überzwerg, ein ewig miesgelaunter, hypertropher kleiner Choleriker, beschloss infolgedessen, seinen Feierabend zugunsten einer flotten Gute-Nacht-OP ein wenig nach hinten zu verschieben, und blieb gleich mal im Haus. Und hier nahm das Drama nun seinen Lauf, denn Bambi will nicht nur von allen Menschen geliebt werden, nein, sie möchte obendrein und in jedem Fall immer alles richtig machen. Prinzipiell sehr löblich, gerade in der Medizin. Es kann aber auch dazu führen, dass man sich in seinem Arbeitsablauf ein wenig – sagen wir – verheddert. Dr. Bambi hatte bei besagter Kolikpatientin also erst einmal eine ordentliche Anamnese erhoben. Sehr ordentlich. Und unglaublich ausführlich.
»Die Schwiegermutter Ihres Cousins dritten Grades hatte mal einen offenen Fuß? Das ist ja sehr interessant …!«
Es dauerte geschlagene eineinhalb Stunden, bevor sie sich auch nur in die Nähe der körperlichen Untersuchung vorgearbeitet hatte. Die Chirurgen indes waren ob des langen Fernbleibens ihrer Patientin ein wenig unruhig geworden und hatten deshalb gefühlte 200 Mal Bambis Dienstnummer angerufen. Dass bei diesen Telefonaten verbal nicht
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