Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
ich die ganze Sache schnellstmöglich beendet haben möchte. Und wie beendet man so etwas am schnellsten? Hm? Genau, indem man immer, wenn eine Klassenlehrerin zum wiederholten Mal flehentlich »Möchte sich denn GAR NIEMAND zum Elternsprecher wählen lassen?«, in die Runde ruft und sich freiwillig meldet. Das tue ich dann. Sonst werden wir ja nie mehr fertig. Und der nächste 39-Stunden-Nonstop-Dienst wartet ja auch schon wieder auf mich. Davor möchte ich dann doch – bitte, danke, – gerne ein bisschen geschlafen haben.
Also war ich in den bisherigen Jahren meiner Elternabendlaufbahn ungefähr ein dutzendmal mit diesem unsäglichen Amt gesegnet. Und wenn nicht ich, dann meine bessere Hälfte. Der kann sich das Drama nämlich auch nie besonders lange anschauen. Und ein Ende ist ja bekanntlich nicht absehbar, obwohl ich mittlerweile schon beim Betreten des Schulhauses Ausschlag und Sodbrennen bekomme!
»Ich bekomme gerade Sodbrennen und Ausschlag!«
»Ja, Schatz. Das sagst du immer, wenn wir eine Schule betreten!«
»Aber wenn es doch so ist …?«
Schlecht gelaunt trotte ich neben dem Mann her. Wo doch heute auch noch »Grey’s Anatomy«-Abend ist. Verdammt.
In der Klasse unserer Tochter verteilt eine streng dreinblickende Dame mittleren Alters geschäftsmäßig alle ankommenden Eltern akkurat auf die vorhandenen Sitzplätze, während ich – strategisch günstig und völlig ungefragt – gleich mal den Platz direkt neben der Tür besetze.
Fräulein Sauer hätte man früher, politisch inkorrekt, als »alte Jungfer« bezeichnet, wobei man noch nicht einmal sagen könnte, ob sie tatsächlich alt ist oder einfach nur alt aussieht . Eine große, hagere Person in mausgrauem Chefsekretärinnen-Kostüm und einem Gesicht, als hätte die Erfindung menschlichen Humors niemals stattgefunden. Als sie meine unaufgeforderte Platzwahl bemerkt, kommt sie augenblicklich herübergeeilt und weist mich mit konsternierter Miene bestimmend zurecht.
»Ähm, Frau Chaos, Sie müssen sich schon auf den Platz Ihrer Tochter setzen. Es sollte doch alles seine Ordnung haben!«
»Aber der Platz von Kind zwei, weiblich, ist ganz da hinten in der Ecke. »Kann ich nicht doch hier sitzen bleiben?« Unschuldig lächle ich zu dem Fräulein hoch. »Komm schon«, soll das heißen, »Hab dich doch nicht so!« Doch mein Charme prallt einfach so an ihr ab. Wie Laserstrahlen an Superman.
Zwei Sekunden später sitze ich in Endzeitstimmung auf dem am weitesten von der Tür entfernten Platz überhaupt, während Herr Chaos neben mir wenig erfolgreich versucht, sein schadenfrohes Glucksen zu unterdrücken.
»Ich muss noch heute Abend mit deiner Tochter reden«, murmele ich ihm beleidigt zu. »Hier kann sie auf gar keinen Fall sitzen bleiben!« In einem Anfall kindlichen Trotzes male ich ein albernes »Doof« auf die Tischplatte vor mir. Gerade so groß, dass mein Mann es erkennen kann. Lässt meine Laune aber auch nicht besser werden.
Das Procedere bei Elternabenden mit neuem Klassenlehrer ist in der Regel immer gleich – Vorstellung des Lehrers, Vorstellung der Eltern, dann recht zügig Entscheidungsfindung, ob die Wahl zum Elternsprecher, -vertreter, -whatever geheim oder öffentlich stattfinden soll. Anschließend Wahl, Gratulation an die arme Socke, die sich jetzt zwei Jahre lang mit allem möglichen Mist herumschlagen muss und – Ende der Vorstellung.
Das alles dauert etwa zwischen einer und zwei Stunden, je nachdem, wie ambitioniert die teilnehmenden Eltern beziehungsweise die betreffenden Lehrkörper sind. Bei Letzteren gilt, dass die Euphorie dem Alter entgegengesetzt proportional ist. Heißt im Klartext: Je älter, desto schneller will der Mensch an der Tafel nach Hause. Das ist immer so. Heute nicht!
»Liebe Eltern, es freut mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind …!« Bla-Bla-Laber-Sülz! »…Wir werden uns jetzt erst einmal in Gruppen zusammenfinden …!«
»Wir werden WAAAAAAAAAAAAAAAAAS?«
Herr Chaos knufft mich sanft in die Seite und schüttelt warnend den Kopf. Habe ich das etwa gerade laut gesagt? Die teils schwer erheiterten Gesichter der anderen Eltern und Fräulein Sauers verkniffener Blick sprechen Bände. Ich merke, wie mir die Schamesröte in die Wangen steigt.
»Ich, ja, also – ähm …!«
Herr Chaos gluckst jetzt vernehmlich vor sich hin, zieht deshalb sein großes Männertaschentuch aus der Hose, um sich angeblich zu schnäuzen. Fräulein Sauer starrt mich nur durchdringend an.
»Wir werden
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