Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
fluchend meinen Bauch von den Resten dieses leidigen Ultraschallgels zu befreien. Mit wenig Erfolg. Alles Wischen und Reiben mit lichtweißem Walkfrottierhandtuch, Marke »Nur für Privatpatientinnen«, scheint diese schallwellenleitende Substanz nur noch weiter auf mir, meinen Jeans und der vorsorglich bis zum Brustansatz hochgeschobenen Lieblingsbluse zu verteilen. »Kann man eigentlich nicht irgendetwas anderes erfinden statt dieses ewigen Geschleims? Das ist ja eklig!«, schimpfe ich erbost vor mich hin. Und kalt und nass und klebrig ist es obendrein. Dann, gefühlte Stunden später, endlich …
»Okay, Kinder! Packt zusammen, ich bin in weniger als zwei Minuten fertig und brauche AU – GEN – BLICK – LICH Essen! Scharfes, fettiges, chinesisches Essen! Hopp-hopp! Auf, ihr Schäfchen!«
»Wusstest du schon, dass man während der Schwangerschaft kein Curry und/oder scharfes Essen zu sich nehmen sollte?«, wirft Sohn, groß, Spitzname »Professor Wikipedia«, streng in die Runde, ohne seinen Blick von Olivias LED-hintergrundbeleuchtetem, hochaufgelöstem 27-Zoll-Monitor zu wenden. »Das kann wehenauslösend sein!«
»Du solltest in jedem Fall Wikipedia-Verbot bekommen!«, brumme ich beleidigt, »zumindest so lange, bis diese Schwangerschaft vorbei ist! Wer ist hier der Fachmann fürs Kinderkriegen? Hm, WER?«
»Das bin immer noch ich !«, mischt Ollie sich jetzt ein. »Und ich erlaube dir chinesisches Essen, soviel du magst, solange du bei Steve Jobs schwörst, dass du pünktlich zur vierunddreißigsten Schwangerschaftswoche deinen Mutterschutz antrittst!«
»HRRRRRMPFCHÖÖÖRGS …« Herr Chaos schon wieder.
»Nein! Sag es nicht …!« Theatralisch fasst Ollie sich an die Stirn und schließt die Augen. »Ich will nicht hören, dass du immer noch Dienste schiebst. Und im OP stehst. – Wir gehen jetzt essen! Ich brauche dringend ein paar Reisschnäpse!«
Und mit diesen Worten ergreift sie Tasche und Mantel und verlässt hocherhobenen Hauptes das Sprechzimmer.
Die Steigerung von Wahnsinn lautet – ELTERNABEND!
»Liebling – könntest du eventuell einen etwas weniger rasanten Fahrstil wählen?« Mit leicht verkniffener Miene krallt der Gatte sich am Türgriff unseres Familienwagens fest.
»Du, Vollpfosten, dämlackischer! Was soll der Mist? HÄH?«
»Josephine – der Fahrer kann dich nicht hören! Er sitzt im Auto vor uns, und all seine Fenster sind geschlossen. Würde es dir etwas ausmachen, weniger impulsiv herumzubrüllen? Ich habe schon einen Tinnitus im linken Ohr!«
»Wer hat diese blöden Elternabende erfunden, hm? Wer war das? Warum kann ich nicht auf meiner Couch liegen und fernsehen. Und Chips essen! Und es gemütlich haben! Ich bin schwanger, und ich brauche Ruhe. DU DOOFNASE!«
»Josephine – DIESER Mensch wiederum konnte dich jetzt sehr wohl hören, der saß nämlich in einem offenen Cabriolet …!«
»Soll er mich doch anzeigen! Wieso muss man denn auch mitten auf der Straße anhalten?«
»Ähm … weil das die Linksabbiegerspur war?«
»Ächt jetzt? Du hältst zu Doofnase ?«
Herr Chaos seufzt ein ganz kleines bisschen und drückt sich mit zusammengekniffenen Augen tiefer in den Beifahrersitz.
Viele Kinder haben heißt, an vielen Elternabenden teilnehmen. Teilnehmen müssen, zumindest dann, wenn man Goodwill und Engagement zeigen möchte. Es gibt Elternabende im Kindergarten, mehr Elternabende in der Grundschule und viel mehr Elternabende auf dem Gymnasium. Herr Chaos und ich sind darin Vollprofis. Und es wird jährlich schlimmer .
Während der allerersten Veranstaltungen, als Kind eins, männlich, gerade in den Kindergarten gekommen war, dachte ich noch: Okay, manche Jung-Eltern sind einfach speziell. Da muss schon mal was länger darüber diskutiert werden, ob der Inhalt der »Kacki-Windel« jetzt eher grün oder orangefarben ist und warum »datt Schantalle« sich nur mal selbst verwirklichen wollte, als es mit der Bastelschere auf Marvin-Malte losging.
In der Grundschule wurde ich dann schon ungeduldiger. Muss ich mir wirklich im Zustand nach 39-Stunden-Nonstop-Dienst und ohne jeglichen Schlaf die Diskussion antun, warum ein Diktat mit 23 teilnehmenden Schülern und einer Gesamtfehlerzahl von 25 mit einem Notendurchschnitt von 2,5 und nicht von 2,44 bewertet wird? Und ob es beim Adventsbasar nicht auch Kakao aus Sojamilch geben kann. MUSS ICH DAS?
Schlimm auch dieser akute Fluchttrieb, den Elternabende allgemein in mir auslösen und der dazu führt, dass
Weitere Kostenlose Bücher