Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
uns also in Gruppen zusammenfinden und gemeinsam überlegen, wie wir unseren Kindern das Schuljahr angenehmer gestalten können. Dafür haben Sie eine gute halbe Stunde Zeit …«
Waaas …? Ich will doch aber auf meine Couch!
»… Anschließend schreiben wir dann alle Vorschläge an die Tafel und besprechen sie ausführlich. Das ist doch eine sehr hübsche Art, uns auch gegenseitig kennenzulernen!« Das Fräulein strahlt jetzt schon fast euphorisch in die Runde, und es wird ganz deutlich, welchen Spaß sie daran hat, Dinge in Gruppen zu besprechen und via Tafel auszudiskutieren.
Herr Chaos stupst mich schon wieder in die Seite.
»WAAAAS?«
Fräulein Sauer schaut böse zu uns herüber. Mein armes Kind – ich hoffe, die Antipathie dieser Person ist nicht automatisch auf die Nachkommenschaft übertragbar.
»Du schnaufst!«
»Entschuldigung – ich lebe! Ich muss Sauerstoff tanken!«
»Du schnaufst hörbar!«
Das Kichern und leise Lachen um mich herum wird lauter. Einige Eltern nicken mir aufmunternd zu. Ich grinse zurück.
»Siehst du«, zische ich dem Mann ins Ohr. »Ich bin nicht die Einzige, die dieses Theater blöd findet!«
In einem Anfall plötzlichen Wahnsinns hebe ich meine rechte Hand. Das säuerliche Fräulein sieht aus, als würde es mir am liebsten einen Eintrag ins Klassenbuch verpassen. Oder noch besser: Einen blauen Brief an die Eltern schicken! Wie schade, dass ich schon groß und selbst erziehungsberechtigt bin.
»Ja … Frau Chaos. Sie möchten noch etwas anmerken?«
Vorsichtig gebe ich zu bedenken, dass es doch schon recht spät ist, außerdem mitten in der Woche, und wie schön es daher wäre, die wichtigen Dinge zu klären und dann zügig ans Heimgehen zu denken.
BLÖDER FEHLER, Josephine! Wirklich GANZ SCHÖN BLÖDER FEHLER!!!
Das Fräulein schaut mich an, als hätte ich ihr Lieblingskaninchen gerade bei lebendigem Leib ins kochende Wasser geworfen. Ihre Mundwinkel zucken verdächtig, doch 20 Jahre Pädagogen-dasein sind nicht spurlos an der Lehrerin vorübergegangen – ruck, zuck hat sie wieder die Kontrolle über ihre Gesichtszüge und wendet sich nun mit zitronensaurem falschem Lächeln an die übrige Elternschaft.
»Liebe Eltern, Frau Chaos möchte diesen Abend offensichtlich ganz schnell hinter sich bringen! Also, wenn hier alle nur schnell nach Hause möchten, OHNE sich gegenseitig richtig kennengelernt und über die Sorgen und Nöte der Kinder gesprochen zu haben, dann …«
Böses Weib, du! Selbstverständlich möchte sonst keiner den Schwarzen Peter für unsoziale, »Grey’s-Anatomy« glotzende Eltern abbekommen. Und selbstverständlich geht ihre Rechnung auf – alle tun plötzlich ganz empört, schütteln wild den Kopf und versichern hoch und heilig, dass sie selbstverständlich sehr gerne bereit seien, an Gruppenarbeit und Vorstellungsgedöns teilzunehmen. Notfalls auch bis morgen in der Früh.
Ächt jetzt, wir schwören!
Herr Chaos versinkt derweil ein kleines bisschen im Klassenzimmerboden. Ganz wenig.
Ich harre also weiter murrend und maulend aus, male Plakate und beschrifte Kärtchen, während auf meinen Schultern Engelchen und Teufelchen ihren immer ungleichen Kampf ausfechten: Bleiben oder gehen? Sodbrennen oder gar vorzeitige Wehentätigkeit? Egal wie: Fräulein Sauer würde mir einen frühen Abgang nicht verzeihen. Und es am Ende gar an meinem armen Kind auslassen. Das hat sie wahrlich nicht verdient, die einzige Tochter.
Als ich endlich auf meiner Couch liege, ist es spät. Sehr spät.
Dr. Grey ist längst ins Bett gegangen und hat McDreamy und Co. gleich mitgenommen. Mein Rücken brennt vom langen Sitzen auf schwangerschaftsinkompatiblem Gerät, die Füße sind auf Elefantengröße angeschwollen, und meine Laune befindet sich im Keller. Ach, was sag ich da. Im Erdkern!
»Ich hasse Elternabende!«
»Ich weiß !«
»Die sind ganz schrecklich!«
»Das sind sie!«
»Fräulein Sauer ist auch ganz schrecklich!«
»Das ist sie!«
»Ich will da nie wieder hingehen!«
»Das wirst du aber müssen – schließlich bist du die neue Elternsprecherin …!«
Ich würde jetzt am liebsten meinen Kopf auf die Tischkante hauen! Ändert aber auch nichts mehr.
Ich gehe ins Bett.
Caddy-Fahren ist absolut tödlich für die Kondition!
Es gibt Kollegen, die schwören, es noch nie selbst erlebt zu haben. Kein einziges Mal während der gesamten Laufbahn. Und die sind teilweise schon echt alt. Uralt!
Mir hingegen passiert das ständig. Am laufenden
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