Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
Umziehen! Grünes Hemd, grüne Hose, sterilisierte Gummilatschen, OP-Mütze und Mundschutz. Zuvor jedoch, ganz wichtig: Stützstrümpfe in passender Größe (normal weit, normal lang) finden, damit einem das Blut nach acht Stunden am Operationstisch Stehen nicht komplett in die Beine versackt. Was ganz schlecht für den Kreislauf wäre. Und obendrein unschöne Krampfadern macht! Nach zwanzigminütigem vergeblichem Umgraben der Strumpfkiste steige ich entnervt auf zwei Strümpfe in Größe »Eng und lang« um und bete inbrünstig zum Herrn, er möge mir meine Treterchen bis zum Nachmittag nicht anämisch abfaulen lassen – die Dinger liegen nämlich teuflisch eng an.
Die nächste Herausforderung besteht dann darin, eine Hose zu finden, deren Zugband nicht marode ist, um das Teil adäquat unter dem Bauch verzurren zu können. Dieser Punkt ist extrem wichtig, wenn ich nicht plötzlich mitten in irgendeiner schönen Operation unten ohne am Tisch stehen möchte.
Im ersten Hosenberg hat es nur Beinkleider ohne Band. Im zweiten nur mit Gummizug, und der ist jeweils zu eng oder zu weit oder gar nicht erst vorhanden. Als ich in der hintersten Ecke des Schrankes doch noch fündig werde, fehlt jetzt nur noch ein Oberteil, das weit genug geschnitten ist, um die Babyplauze zu verbergen, aber eng genug anliegt, um den Kollegen Dr. Luigi – kleiner, notgeiler Italiener – nicht Kopf voran in die üppige Pracht meines hormongepumpten Schwangerschaftsdekolletés springen zu lassen. Das, was ich schlussendlich klamottentechnisch zusammengezimmert habe, ist zwar nicht schön, aber durchaus geeignet, die sibirischen Temperaturen unseres Tiefkühl-OPs ohne Folgeschäden zu überstehen. Und so laufe ich – vom schallenden Gelächter der chirurgischen Kollegen begleitet – zum heimischen OP-Saal.
»Dr. Josephine – gab es das Oberteil nicht mehr in Ihrer Größe?«
Ja – lacht nur, ihr elenden Aufschneider, euch hat auch keiner gesagt, dass ein OP-Hemd in der Hose nur bei den Kollegen McDreamy und George Clooney gut aussieht. Ihr hingegen schaut aus wie Presswurst in Grün!
Im gynäkologischen Saal Nummer V pralle ich dann tatsächlich gegen den Eisberg der Titanic. Bildlich gesprochen. Zumindest spuckt die dämliche Klimaanlage so viel Kälte aus, dass man problemlos Warzen damit vereisen könnte.
»Guten Morgen, Freunde! Wenn ich gewusst hätte, dass hier drinnen Winter herrscht, hätte ich meine Mohair-Unterwäsche angezogen!«
»Du kannst gar keine Mohair-Unterwäsche besitzen , liebe Josephine. Alles Mohair dieser Welt befindet sich nämlich zu hübschen, enganliegenden V-Ausschnitt-Pullovern verarbeitet in Fancy-Nancys Kleiderschrank!«
Für diesen wirklich hervorragenden Gag des Tages klatsche ich meiner Lieblings-OP-Schwester sehr gerne die dargebotene High-Five ab.
»Wahre Worte, Schwester, wahre Worte!«
Da Hermine heute die Instrumenten-Tante in unserem OP gibt, besprechen wir zuallererst ausführlich das mit Abstand wichtigste Utensil eines erfolgreichen OP-Tages: Die Playlist!
Die Musikwahl liegt in allen Operationssälen dieser Welt prinzipiell beim Operateur und wäre heute somit absolute Chefsache. Doch Chef Böhnlein hat, man kann es nicht anders sagen, einen absolut katastrophalen Musikgeschmack. Michael Wendler zum Beispiel. Oder Stefan Mross. Geht gar nicht. Ächt jetzt! Und deshalb durchforsten Hermine und ich systematisch die umfangreiche Liedauswahl des operationssaaleigenen iPods, um eine passende Songliste für den heutigen Tag zusammenzustellen. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Dr. Kocher, Chefarzt der Chirurgie, klammheimlich die Verbindungstür zum Nachbar-OP öffnet.
»Psst – wir haben Zuhörer. Sollen wir noch etwas Schönes für ihn raussuchen?«
Wohlwollend nickt Hermine zum Chirurgen hinüber, der so tut, als gäbe es uns nicht.
Kocher mag Musik beim Operieren eigentlich total gerne, und darum ging im chirurgischen OP noch bis vor wenigen Jahren richtig der Punk ab. Im wirklichen wie übertragenen Sinne. Dann jedoch, so erzählt man sich zumindest, hatte der Chefarzt auf irgendeiner hochdekorierten Aufschneider-Fortbildung gehört, dass Musik während des Operierens völlig unprofessionell sei, und hat daraufhin von jetzt auf gleich auch den letzten Song rigoros aus seinen Räumen verbannt. Glücklich gemacht hat es ihn allerdings nicht. Unerträglich dagegen in jedem Fall, denn seine sprichwörtlich schlechte Laune ist seither quasi ins Bodenlose gesunken. Und deshalb
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