Danse Macabre
klassische Elemente der Gespenstergeschichte unter einen Hut zu bringen), sondern weil eine bloße
Zusammenfassung eines jeden Schauerromans das Buch absurd komplex und weitschweifig erscheinen lassen würde.
Die meisten gotischen Schauerromane sind mit zuviel Handlung vollgepackte Romane, deren Erfolg davon abhängt, ob
es dem Autor gelingt, dem Leser die Personen glaubwürdig
zu schildern und ihn an der Stimmung teilhaben zu lassen.
Dabei ist Straub mehr als erfolgreich, und die Maschinerie
des Romans läuft wie geschmiert (auch wenn es eine außerordentlich laute Maschinerie ist; wie ich bereits dargelegt habe,
ist auch das eine der großen Attraktionen des gotischen
Schauerromans - er ist VERDAMMT LAUT !). Der Stil selbst jedoch ist wunderbar stimmig und ausgeglichen.
Die Grundsituation reicht aus, um den Konflikt in Ghost
Story abzuleiten: Auf ihre Weise ist die Geschichte ebenso
deutlich ein Konflikt zwischen dem Apollinischen und dem
Dionysischen wie Stevensons Dr. Jekyll and Mr. Hyde, und
ihr moralischer Standpunkt ist, wie der des Großteils der Horror-Literatur, erzreaktionär. Ihre Politik ist die Politik der
vier alten Männer, die die Altherrengesellschaft bilden Sears James und John Jaffrey sind gestandene Republikaner,
Lewis Benedikt ist der Besitzer eines mittelalterlich anmutenden Lehnsguts im Wald, und wir erfahren zwar, daß Ricky
Hawthorne einmal Sozialist gewesen ist, aber er dürfte der
einzige in der Geschichte der sozialistischen Bewegung sein,
der, wie wir erfahren, so fasziniert von neuen Krawatten ist,
daß er den Drang verspürt, sie sogar noch im Bett anzuzie hen. Diese Männer - ebenso wie Don Wanderley und der
junge Peter Barnes - werden von Straub als Menschen mit
Mut und Liebe und Großzügigkeit gezeichnet (und Straub
selbst hat in einem Brief an mich darauf hingewiesen, daß
keine dieser Tugenden der reaktionären Vorstellung zuwiderläuft; es könnte sogar gut sein, daß sie sie definieren). Im Gegensatz dazu ist der weibliche Rächer (Straubs Gespenster
sind alle weiblich) kalt und destruktiv und lebt nur für die
Rache. Als Don mit dieser Kreatur in ihrer Inkarnation als
Alma Mobley schläft, berührt er sie in der Nacht und empfindet »einen Schock konzentrierter Gefühle, einen Schock des
Ekels - als hätte ich eine Made angefaßt«. Während eines Wochenendes, das er mit ihr verbringt, wacht Don auf und sieht
Alma am Fenster stehen und mit leerem Blick in den Nebel
hinausstarren. Er fragt sie, ob etwas nicht stimmt, und sie antwortet. Anfangs redet er sich selbst ein, daß ihre Antwort
»Ich sah ein Gespenst« gewesen ist. Später zwingt die Wahrheit ihn zu dem Eingeständnis, daß sie »Ich bin ein Gespenst«
gesagt haben könnte. Eine letzte Anstrengung der Erinnerung überzeugt ihn davon, daß sie etwas ungleich Vielsagenderes gesagt hat: »Du bist ein Gespenst.«
Der Kampf um Milburn - und um das Leben der letzten
drei Mitglieder der Altherrengesellschaft - geht weiter. Trotz
des komplexen Charakters der Handlung und der wechselnden Erzählperspektiven des Buches sind die Linien einfach
und deutlich gezogen. Wir haben drei alte Männer, einen jungen Mann und einen Teenagerknaben, die alle nach dem Mutanten Ausschau halten. Der Mutant kommt. Am Ende bleibt
ein Sieger übrig. Standard-Material. Was es von anderem unterscheidet - was es »aufwertet« -, ist Straubs Spiegeleffekt.
Welche Alma ist die richtige Alma? Welches Böse ist das wirkliche Böse? Wie ich früher bemerkt habe, ist es normalerweise leicht, Horror-Romane auf eine andere Weise zu unterscheiden - diejenigen, die sich mit dem »inneren Bösen« beschäftigen (wie Dr. Jekyll and Mr. Hyde), und diejenigen, die
sich mit dem »äußeren« oder vorherbestimmten Bösen beschäftigen (wie Dracula). Aber ab und zu kommt ein Buch
daher, wo es unmöglich ist, genau diese Grenzlinie zu bestimmen. The Hauntingof Hill House ist so ein Buch; GhostStory ist ein anderes. Viele Verfasser von Horror-Geschichten
haben klar erkannt, daß es genau diese Unkenntlichmachung
ist, woher das Böse kommt, die das Gute oder lediglich Wirkungsvolle vom wahrhaft Großartigen unterscheidet, aber
Erkenntnis und Anwendung sind zwei Paar Stiefel, und beim
Versuch, dieses Paradoxon zu erreichen, produzieren die
meisten lediglich Durcheinander … Lovers Living, Lovers
Dead von Richard Lutz ist ein Beispiel dafür. Dies ist ein Fall,
wo man das Ziel entweder mit einem Volltreffer erwischt oder
einen Fehlschuß landet. Straub ist ein Volltreff
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