Danse Macabre
er gelungen.
»Ich wollte wirklich umfangreicher arbeiten als jemals
zuvor«, sagte Straub. »Ich wollte auf einer großen Leinwand
malen. ‘Salem’s Lot hat mir gezeigt, wie man das macht, ohne
sich in einer Vielzahl von Nebenpersonen zu verlieren. Außer
der großen Leinwand wollte ich auch einen gewissen Effekt
von Größe … Ich hatte mich der Meinung hingegeben, daß
Horror-Geschichten am besten sind, wenn sie doppeldeutig
und verhalten und zurückhaltend sind. Nachdem ich ‘Salem’s
Lot gelesen hatte, wurde mir klar, daß diese Vorstellung eine
Selbsttäuschung war. Horror-Stories sind am besten, wenn
sie laut und schreiend sind, wenn die ihnen innewohnende
operative Eigenschaft ungebunden toben kann. Ein Teil der
Ausdehnung war daher eine Ausdehnung der Effekte - ich
wollte große Höhepunkte schaffen, mehr Spannung erzeugen, als ich jemals hatte, wollte große Angstszenen darin
haben. Das alles soll heißen, daß meine Ambitionen sehr angestachelt wurden. Ich hatte deutlich die Absicht, etwas zu
schaffen, das sehr literarisch ist und gleichzeitig jede erdenkliche Gespenstersituation enthalten sollte, die ich mir nur vorstellen konnte. Außerdem wollte ich mit der Wirklichkeit herumspielen, meine Personen verwirren, was real ist und was
nicht. Also: Ich baute Situationen ein, in denen sie der Meinung sind, daß sie 1. Rollen in einem Buch spielen; 2. einen
Film sehen; 3. Halluzinationen haben; 4. träumen; 5. in eine
private Phantasiewelt versetzt wurden.* So etwas, finde ich,
kann unsere Art von Buch sehr gut, es ist von Natur aus dazu
berufen, das zu tun. Das Material ist absurd und unglaubwürdig, daher paßt eine Erzählung dazu, in der die Personen
* Die beste Stelle ist die, als Lewis Benedikt in den Tod geht. Er sieht
beim Jagen im Wald eine Schlafzimmertür aus verflochtenen Kiefernnadeln. Er geht durch diese Tür in ein tödliches Land der Phantasie.
durch eine ganze Reihe von Situationen geschleudert werden, von denen sie einige vernunftgemäß als falsch erkennen
können. Und mir schien es mehr als passend, daß sich diese
Art von Handlung aus vier Männern entwickelt, die einander
Geschichten erzählen - das war eine Selbstreferenz, was mich
in einem Roman immer sehr befriedigt. Wenn die Struktur
eine Beziehung zu den Geschehnissen hat, dann hat das Buch
mehr Resonanz.«
Er erzählt eine letzte Anekdote über das Schreiben des Buches: »Es gab da einen sehr glücklichen Zufall … Als ich gerade den zweiten Teil anfangen wollte, standen zwei Zeugen
Jehovas vor meiner Tür, und ich kaufte ihnen zwei oder drei
Zeitschriften ab. Eine … enthielt eine Schlagzeile über Dr.
Rabbitfoot - eine Geschichte von einem Posaunisten namens
Trummy Young, der einmal mit Louis Armstrong gespielt
hatte. Dr. Rabbitfoot war ein Posaunist, den er als Kind gesehen hatte. Ich stürzte mich sofort auf diesen Namen und fing
das zweite Buch mit ihm an.«
Im Verlauf des Romans wird der junge Peter Barnes, als er
per Anhalter fährt, entweder von Alma Mobley oder einem
anderen der sogenannten »Nachtwächter« mitgenommen. In
dieser Gestalt ist das übernatürliche Wesen ein kleiner, dicklicher Mann mit einem blauen Auto - ein Zeuge Jehovas. Er
gibt Peter ein Exemplar von Der Wachturm, das der Leser im
explosiven Verlauf der Ereignisse auf den folgenden vierzig
Seiten vergißt. Aber Straub hat es nicht vergessen. Später
kann Peter die Zeitschrift vorzeigen, nachdem er Don Wanderley seine Geschichte erzählt hat. Die Schlagzeile lautet:
DR. RABBITFOOT VERLEITETE MICH ZUR SÜNDE.
Man fragt sich, ob das die wirkliche Schlagzeile des Wachturm war, den der Zeuge Jehovas Straub in dessen Londoner
Haus verkauft hat, als er an der ersten Abschrift von Ghost
Story arbeitete.
3
Wenden wir uns jetzt vom Gespenst ab und seiner natürlichen
(oder unnatürlichen, wenn Sie so wollen) Behausung zu: dem
Spukhaus. Es gibt Spukhaus-Geschichten ohne Zahl, die
meisten davon sind nicht besonders gut (The Cellar von Richard Laymon ist ein Beispiel für die wenig erfolgreiche
Abart). Aber dieses kleine Subgenre hat auch eine Reihe exzellenter Bücher hervorgebracht.
Ich werde das Haus nicht als echte Tarotkarte im Blatt der
übernatürlichen Mythen auflisten, aber ich plädiere dafür,
daß wir unser Feld der Betrachtung ein wenig erweitern, und
wir werden feststellen, daß wir eine weitere Quelle entdeckt
haben, die das Mythenreservoir speist. In Ermangelung eines
besseren Namens können wir diesen speziellen Archetyp den
Ort des
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