Danse Macabre
ohne Weiß
noch Iris. Ganz goldgelb mit einem senkrechten Pupillenschlitz.
Sie sah ihn an.
Er sah sie an, mit goldgelben Augen, und dann hinauf zu
dem baumelnden, umgekehrten Kruzifix.
Sie sah die anderen an, die sie beobachteten, und schrie sie
mit dem Messer in der Hand an: »Was habt ihr mit seinen
Augen gemacht?«
Sie fuhren auf und blickten nach Roman.
»Er hat seines Vaters Augen«, sagte er.*
Bis zu diesem Punkt haben wir zweihundertundneun Seiten
mit Rosemarie Woodhouse gelebt und gelitten, und Roman
Castevets Antwort auf ihre Frage scheint beinahe die Schlußzeile einer langen, teilnahmsvollen Pointen-Geschichte,
einer von der Art, die mit etwas endet wie: »My, that’s a long
way to tip a Rari«, oder »Rudolph the Red knows rain, dear.«
Abgesehen von gelben Augen hat Rosemaries Baby, wie sich
herausstellt, Klauen (»Sie sind sehr hübsch«, sagt Roman zu
Rosemarie, »… ganz klein, wie Perlen. Die Handschuhchen
hat er nur an, damit er sich nicht kratzt …«) und einen
Schwanz und Knospen von Hörnern. Als ich an der University of Maine im Verlauf meiner Vorlesung mit dem Titel »The
* Dieses und die nachfolgenden Zitate wurden der deutschen Ausgabe Rosemaries Baby, Hamburg 1968, entnommen. (Anm.d.Übers.)
men des Horrors und des Übernatürlichen« vor einer Untergraduierten-Klasse über das Buch sprach, überlegte einer
meiner Schüler, daß Rosemaries Baby zehn Jahre später das
einzige Kind der Little-League-Mannschaft sein würde, das
eine maßgeschneiderte Baseballmütze brauchen würde.
Im Grunde genommen hat Rosemarie die Comic -Version
des Satans zur Welt gebracht, den Diabolino, den wir alle aus
unserer Kindheit kennen, wie er manchmal in Trickfilmen
auftauchte und mit dem guten Engelchen über den Kopf des
Helden hinweg zankte. Levin macht die Satire noch breiter,
indem er uns eine Gemeinde von Satanisten präsentiert, die
fast ausschließlich alte Leute sind; sie streiten sich mit ihren
brüchigen Stimmen unaufhörlich darüber, wie das Baby behandelt werden sollte. Die Tatsache, daß Laura-Louise und
Minnie Castevet viel zu alt sind, um für ein Baby zu sorgen,
gibt dem Ganzen die letzte makabre Note, und Rosemaries
erstes Band zu dem Baby wird geknüpft, als sie Laura-Louise
sagt, daß sie »Andy« viel zu schnell schaukelt und daß die
Räder seines Kinderwagens geölt werden müssen.
Levins Verdienst ist es, daß diese Satire den Horror seiner
Geschichte nicht zunichte macht, sondern noch steigert. Rosemary’s Baby ist eine großartige Bestätigung der Tatsache,
daß Humor und Horror dicht nebeneinander liegen, und
wenn man eines leugnet, leugnet man auch das andere. Das
ist eine Tatsache, die sich Joseph Heller in Catch-22 (dt: Der
Iks-Haken bzw. Catch 22) vortrefflich zunutze macht und die
auch Stanley Elkin in The Living End (das man mit dem Untertitel »Hiobs Leben nach dem Tod« versehen könnte) anwendet.
Außer Satire würzt Levin seinen Roman auch mit Ironie
(»Ist gut für dein Blut, Liebstes«, pflegte die alte Hexe in den
E.-C.-Comics zu sagen). Ziemlich am Anfang laden die Castevets Guy und Rosemarie zum Essen ein; Rosemarie akzeptiert unter der Bedingung, daß es nicht zuviel Umstände
macht.
»Kindchen, wenn es mir Umstände machte, würde ich Sie
nicht einladen«, sagte Mrs. Castevet. »Glauben Sie mir, ich
bin so egoistisch, wie der Tag lang ist.«
Rosemarie lächelte: »Das hat mirTerry nicht gesagt.«
»Na«, lächelte Mrs. Castevet geschmeichelt, »Terry wußte
nicht, wovon sie sprach.«
Die Ironie ist, daß alles, was Minnie Castevet hier sagt, die
Wahrheit ist; sie ist wirklich so egoistisch wie derTag lang ist,
und Terry - die entweder ermordet wird oder Selbstmord begeht, als sie herausfindet, daß sie als Mutter vom Kind des Satans mißbraucht wurde oder werden soll - wußte wirklich
nicht, wovon sie sprach. Aber sie fand es heraus. Oh ja. Hehheh-heh.
Meine Frau, die katholisch erzogen worden ist, behauptet
außerdem, daß das Buch auch eine religiöse Komödie mit
ihrer eigenen Pointen-Zeile ist. Rosemary’s Baby, behauptet
sie, beweist nur das, was die katholische Kirche schon immer
über Mischehen gesagt hat - sie gehen einfach nicht gut.
Diese spezielle Art von Komödie wird möglicherweise noch
treffender, wenn wir Levins eigene, jüdische Glaubenszugehörigkeit gegen die von den Satanisten verwendeten christlichen Bräuche aufaddieren. In diesem Licht gesehen, wird das
Buch zu einer Art von »Man-muß-kein-Jude-sein-um-Levyzu-lieben«-Ansicht
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