Danse Macabre
»Sunday
Morning« herausgetreten sein könnte: Die Kirchenglocken
bedeuten ihr nichts, während sie ihre Orange schält. Aber
darunter ist das Gemeindeschulmädchen Rosemarie Reilly
noch sehr stark vorhanden.
Den Makrokosmos behandelt er ganz ähnlich - nur größer.
Bei dem Essen, das die Castevets für die Woodhouses
geben, kommt man auf den bevorstehenden Besuch des Papstes in New York zu sprechen. »Ich habe versucht, das Buch
trotz der Unglaubwürdigkeiten glaubwürdig zu halten«, bemerkt Levin, »indem ich verschiedene >tatsächliche Ereignisse < in die Handlung eingebaut habe. Ich hob Stapel von
Zeitungen auf, und zwei Monate nach den Ereignissen darüber zu schreiben, funktionierte ausgezeichnet im Falle des
Transitstreiks und Lindsays Wahl zum Bürgermeister. Als ich
aus offensichtlichen Gründen zu dem Ergebnis gekommen
war, daß das Kind am 25. Juni geboren werden sollte, sah ich
nach, was in der Nacht, in der Rosemarie empfangen haben
müßte, geschehen ist, und wissen Sie, was ich gefunden habe:
den Besuch des Papstes und die Messe im Fernsehen. Das
nenne ich einen glücklichen Zufall! Von diesem Punkt an war
mir, als sollte das Buch geschrieben werden.«
Die Unterhaltung zwischen Guy Woodhouse und den Castevets scheint vorhersehbar, fast banal, aber sie drückt eben
die Denkweise aus, die nach Levins behutsamer Andeutung
für die ganze Sache verantwortlich ist:
»Ich hörte im Fernsehen, daß er seinen Besuch auf später
verlegen und warten will, bis der Zeitungsstreik vorbei
ist«, sagte Mrs. Castevet.
Guy lächelte. »Na ja«, sagte er, »das ist auch nur eine Art
Schaugeschäft.«
Mr. und Mrs. Castevet lachten und Guy mit ihnen, Rosemarie lächelte und schnitt ihr Steak. (…)
Noch immer lachend, sagte Mr. Castevet: »Das ist es. Sie
wissen Bescheid. Das ist es genau! Schaugeschäft.«
»Das dürfen Sie noch einmal sagen«, meinte Guy.
»Die Trachten, die Riten«, sagte Mr. Castevet, »alle Religionen, nicht nur der Katholizismus, sind Festspiele für die
Unwissenden.«
Mrs. Castevet sagte: »Ich fürchte, wir kränken Rosemarie.«
»Nein, nein, keineswegs«, widersprach Rosemarie.
»Sie sind nicht religiös, meine Liebe, nicht wahr?« fragte
Mrs. Castevet.
»Ich wurde religiös erzogen«, sagte Rosemarie, »aber jetzt
bin ich Freidenker. Ich war nicht beleidigt, wirklich nicht,
in keiner Weise.«
Wir zweifeln nicht an der Wahrheit von Rosemarie Woodhouses Worten, aber unter dieser Oberfläche ist ein kleines Gemeindeschulmädchen namens Rosemarie Reilly, das sehr gekränkt ist und solche Worte wahrscheinlich als Blasphemie
betrachtet.
Die Castevets führen hier eine bizarre Form von Einstellungsgespräch durch und testen Rosemarie und Guy nach
Tiefe und Richtung ihrer Überzeugungen und Ansichten; sie
offenbaren ihre eigene Verachtung für die Kirche und heilige
Dinge; aber Levin deutet an, daß sie außerdem Ansichten äußern, die für die Allgemeinheit gelten …, nicht nur für Satanisten.
Doch darunter muß Glauben existieren, deutet er an; die
Schwächung der Oberfläche erlaubt demTeufel Zutritt, aber
darunter haben selbst die Castevets ein lebenswichtiges Bedürfnis nach dem Christentum, denn ohne das Heilige kann
es nichts Profanes geben. Die Castevets scheinen zu spüren,
daß Rosemarie Reilly unter Rosemarie Woodhouse existiert,
und es ist ihr Mann Guy, ein authentischer Heide, den sie als
Vermittler suchen. Und Guy zeigt sich bewundernswert gefügig
Uns wird kein Zweifel daran gestattet, daß es Rosemaries
Schwächung des Glaubens ist, die demTeufel die Tür in ihr
Leben öffnet. Ihre Schwester Margaret, eine gute Katholikin, ruft Rosemarie per Ferngespräch nicht lange nach Anlaufen des Plans der Castevets an. »Ich hab’ den ganzenTag
über so ein dummes Gefühl gehabt, Rosemarie, daß dir
etwas passiert wäre, ein Unfall oder so.«
Eine solche Vorahnung wird Rosemarie nicht vergönnt
(nur der Traum von Schwester Agnes, die mit Minnie Castevets Stimme spricht), weil sie ihrer nicht wert ist. Gute Katholiken, sagt Levin - und wir merken vielleicht gar nicht, wie
sich hier sein Humor wieder einschleicht - bekommen die
guten Vorahnungen.
Das religiöse Motiv zieht sich durch das ganze Buch, und
Levin stellt ein paar schlaue Sachen damit an, aber vielleicht
können wir unsere Betrachtung mit einigen Gedanken über
Rosemaries bemerkenswerten »Empfängnis-Traum« abschließen. Zunächst einmal ist es wichtig, daß der Teufel als
Zeitpunkt, Rosemarie zu schwängern, den Besuch des
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