Danse Macabre
beide herzlich über diese
Dinge lachen können; das will ich nicht. Diese Gedanken
sind nicht die Überzeugungen von Wahnsinnigen, sondern
von geistig gesunden Männern und Frauen, die verzweifelt
versuchen, nicht den Status quo zu erhalten, sondern das verdammte Ding erst einmal zu finden. Und wenn Becky Driscolls Cousine Wilma sagt, daß ihr Onkel Ira nicht ihr Onkel
Ira ist, dann glauben wir ihr instinktiv und auf der Stelle.
Wenn wir ihr nicht glauben, haben wir lediglich eine alte
Jungfer, die in einem kleinen Ort in Kalifornien langsam tatterig wird. Diese Vorstellung kann uns nicht reizen; in einer
geistig gesunden Welt schnappen nette Damen in mittleren
Jahren, so wie Wilma, nicht einfach über. Das ist nicht richtig.
Das enthält ein Flüstern des Chaos, welches irgendwie furchteinflößender als der Gedanke ist, sie könnte recht haben, was
Onkel Ira anbelangt. Wir glauben es, weil dieser Glaube die
geistige Gesundheit der Dame bestätigt. Wir glauben ihr,
weil …, weil …, weil etwas vor sich geht! Diese paranoiden
Hirngespinste sind eigentlich gar keine Hirngespinste. Wir und Cousine Wilma - haben recht; die Welt hat durchgedreht.
Die Vorstellung, daß die ganze Welt durchgedreht hat, ist
ziemlich schlimm, aber so wie wir mit Bill Nolans fünfzehn
Meter großem Käfer zurechtkommen können, wenn wir gesehen haben, was er ist, so können wir mit einer durchgedrehten Welt zurechtkommen, wenn wir nur unseren eigenen
Standpunkt kennen. Bob Dylan spricht zu dem Existentialisten in uns, wenn er sagt: »Something is going on here/But
you don’t know what it is/Do you, Mr. Jones?« Finney nimmt
uns - in der Verkleidung von Miles Bennell - fest am Arm und
sagt uns, daß er ganz genau weiß, was hier vor sich geht: Es
sind diese verdammten Samenkapseln aus dem Weltall! Sie sind verantwortlich!
Es macht Spaß, den klassischen Fäden der Paranoia zu folgen, die Finney in seine Geschichte hineinwebt. Als Miles
und Becky im Kino sind, bittet Miles’ Freund, der Schriftsteller Jack Belicec, Miles, zu ihm zu kommen und sich etwas anzusehen, das er im Keller gefunden hat. Dieses Etwas erweist
sich als Körper eines nackten Mannes auf einem Billardtisch,
ein Körper, der für Miles, Becky, Jack und Jacks FrauTheodora irgendwie unfertig aussieht - noch nicht ganz ausgeformt. Es ist natürlich eine Samenkapsel, und die Gestalt, die
es annimmt, ist die von Jack. Kurz danach haben wir den eindeutigen Beweis, daß etwas auf schreckliche Weise nicht
stimmt:
Becky stöhnte sogar, als wir die Fingerabdrücke sahen, und
ich glaube, uns allen war übel. Denn es ist eines, über einen
Körper zu spekulieren, der niemals am Leben gewesen ist,
eine leere Hülle. Aber es ist etwas ganz anderes, das alles
Primitive im Gehirn anspricht, wenn diese Spekulation bewiesen wird. Es gab keine Fingerabdrücke; da waren fünf
absolut glatte, durchgehend schwarze Kreise.
Die vier - die sich jetzt der Samenkapsel-Verschwörung bewußt sind - beschließen, nicht gleich die Polizei zu rufen, sondern zu sehen, wie sich die Sporen entwickeln. Miles bringt
Becky nach Hause und geht dann selbst heim, er läßt die Belicecs zurück, um auf das Ding auf dem Billardtisch aufzupassen. Aber mitten in der Nacht flipptTheodora Belicec aus, die
beiden kommen bei Miles vorbei. Miles ruft einen befreundeten Psychiater, Mannie Kaufman (ein Seelenklempner? Wir
sind auf der Stelle argwöhnisch; wir brauchen keinen
Seelenklempner hier, möchten wir Miles zurufen; hol die Armee!),
damit dieser kommt und bei den Belicecs sitzt, während er zu
Becky geht…, die schon vorher dem Gefühl Ausdruck verliehen hat, daß ihr Vater nicht mehr ihr Vater ist.
Im untersten Fach eines Regals im Keller der Driscolls rindet Miles eine leere Hülle, die sich gerade zu einer PseudoBecky entwickelt. Finney beschreibt brillant, wie dieses Werden vonstatten geht. Er vergleicht es damit, Medaillons zu
gravieren; eine Fotografie zu entwickeln; später mit diesen
unheimlich lebensechten südamerikanischen Puppen. Aber
was uns in unserem nervösen Zustand wirklich beeindruckt,
ist die Tatsache, wie das Ding versteckt ist, wie es in einem
staubigen Keller hinter einer verschlossenen Tür verborgen
ist und seine Zeit abwartet.
Becky ist von ihrem »Vater« betäubt worden, und wir sehen
Miles in einer mit Romantik förmlich überladenen Szene,
wie er sie aus dem Haus bringt und auf den Armen durch die
schlafenden Straßen von Santa Mira trägt; es ist keine Kunst,
sich den Gazestoff
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