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Danse Macabre

Danse Macabre

Titel: Danse Macabre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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anderer Geisteskranker ein paar
Jahre später in einer Hotelküche herumstehen und darauf
warten kann, mit dem Bruder des ermordeten Präsidenten
genau dasselbe zu machen; vollkommen verständlich, daß
nette amerikanische Jungs aus lowa und Kalifornien und Delaware während ihrer Zeit in Vietnam Ohren gesammelt
haben, viele davon bemerkenswert klein; daß die Menschheit
aufgrund der Predigten eines achtzigjährigen heiligen Mannes der Moslems, der sich bei Sonnenuntergang wahrscheinlich nicht mehr daran erinnern kann, was er zum Frühstück
hatte, wieder einmal an den Rand eines apokalyptischen
Krieges gelangen kann.
    Diese Dinge sind auf geistiger Ebene allesamt akzeptabel,
wenn wir die Vorstellung akzeptieren, daß Gott lange in Urlaub gefahren oder tatsächlich verschieden ist. Sie sind auf
geistiger Ebene akzeptabel, aber unsere Emotionen, unsere
Seelen und am meisten unsere Leidenschaft für die Ordnung
- diese übermächtigen Elemente der menschlichen Natur rebellieren alle miteinander. Wenn wir sagen, daß es im Zweiten Weltkrieg keinen Grund für den Tod von sechs Millionen
Juden in den Konzentrationslagern gegeben hat, dafür, daß
Dichter zusammengeschlagen, alte Frauen vergewaltigt und
Kinder zu Seife gemacht wurden, daß das alles einfach eben
geschehen ist und niemand wirklich dafür verantwortlich war
- hier geriet einfach alles ein wenig außer Kontrolle, ha-ha,
tut uns so schrecklich leid -, dann fängt der Verstand an zu
wanken.
    In den sechziger Jahren sah ich das alles aus erster Hand geschehen, auf der Höhe des Generationkonfliktes, der mit unserem Eingreifen in Vietnam begann und dann auf alles übergriff, von den Schülerratssitzungen im College bis zum Wahlrecht mit achtzehn und der Verantwortung großer Firmen für
die Umweltverschmutzung.
    Ich war zu der Zeit im College an der University of Maine,
und ich begann meine Zeit am College mit politischen Ansichten, die so weit rechts waren, daß ich mich nicht radikalisieren ließ, aber 1968 hatte ich meine Einstellung hinsichtlich
einer Reihe fundamentaler Fragen gründlich geändert. Der
Held von Jack Finneys späterem Roman Time andAgaln sagt
das besser, als ich es könnte:
    »Ich war (…) ein ganz normaler Mensch, der sich lange
nach dem Erwachsenwerden noch den kindlichen Glauben
erhalten hatte, daß die Menschen, die wesentlich über
unser Leben bestimmen, irgendwie besser informiert sind
und ein besseres Urteilsvermögen besitzen als wir anderen;
daß sie intelligenter sind. Erst bei Vietnam ging mir endlich
auf, daß einige der wichtigsten Entscheidungen aller Zeiten in den Händen von Männern liegen, die eigentlich
nicht mehr wissen und nicht intelligenter sind als wir anderen.«*
    Für mich war das eine beinahe überwältigende Entdeckung eine, die möglicherweise wirklich erst an jenem Tag im Stratford Theater begann, als ich und meine Zeitgenossen von
einem Kinobesitzer, der aussah, als wäre er aus kürzester
Entfernung angeschossen worden, die Ansage hörten, daß
man in Rußland einen Weltraumsatelliten in die Erdumlaufbahn geschossen hatte.
    Dennoch war es mir unmöglich, die Paranoia, die in den
letzten vier Jahren der sechziger wie ein Pilz aus dem Boden
schoß, völlig zu umarmen. 1968, während meines JuniorenJahres am College, kamen drei Black Panther von Boston in
die Schule und sprachen (unter dem Deckmantel einer Reihe
öffentlicher Vorlesungen) darüber, wie das amerikanische Firmenestablishment größtenteils unter der Führung der Rockefellers und von AT&T für den neofaschistischen Zustand in
* Dieses Zitat wurde der deutschen Ausgabe Das andere Ufer der Zeit, München 1981, entnommen.
(Anm.d.Übers.)
    Amerika verantwortlich war und den Krieg in Vietnam förderte, weil er gut fürs Geschäft war, und wie es darüber hinaus ein noch bösartigeres Klima von Rassismus, Staatswillkür und Sexismus förderte. Johnson war seine Marionette;
Humphrey und Nixon waren seine Marionetten; es war
»meet the new boss, same äs the old boss«, wie die Who ein
oder zwei Jahre später singen sollten; und die einzige Lösung
war, es auf der Straße auszutragen. Sie schlössen mit dem
Panther-Slogan »Alle Macht kommt aus dem Lauf eines Gewehres« und baten uns, uns an Fred Hampton zu erinnern.
    Ich glaubte und glaube nicht, daß die Hände der Rockefellers während dieser Zeit vollkommen sauber gewesen sind,
und die von AT&T auch nicht; ich war und bin der Meinung,
daß Firmen wie Sikorsky und Douglas Aircraft und Dow Chemical und

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