Danse Macabre
wie Dreiser amerikanische Naturalisten von dunkler Überzeugungskraft, und
sie scheinen Sherwood Anderson, den amerikanischen
Champion des Naturalismus, auf eine verrückte Art und
Weise von beiden Seiten zu stützen. Beide schrieben von
amerikanischen Menschen, die im Kernland leben (Dreisers
Menschen kommen in die Stadt, während die Bradburys im
Kernland bleiben), von Unschuld, die auf herzzerreißende
Weise zu Erfahrung wird (Dreisers Menschen zerbrechen für
gewöhnlich daran, während die Bradburys zwar verändert
sind, aber weitgehend ganz bleiben), und beide sprechen mit
Stimmen, die einmalig und verblüffend amerikanisch sind.
Beide schreiben ein klares Englisch, das locker bleibt, Umgangssprache aber weitgehend vermeidet - wenn Bradbury
gelegentlich in Slang verfällt, dann schockiert uns das so sehr,
daß er fast vulgär wirkt. Ihre Stimmen sind zweifellos amerikanische Stimmen.
Der offensichtlichste Unterschied, auf den man hinweisen
kann, und wahrscheinlich der unwichtigste, ist der, daß Dreiser ein Realist genannt wird, während man Bradbury einen
Phantasten nennt. Noch schlimmer, Bradburys Taschenbuchverleger beharrt ermüdend darauf, ihn als »größten lebenden
Science-Fiction-Autor der Welt« zu bezeichnen (was sich wie
einer der Freaks in den Schaubuden anhört, die er so oft beschreibt), obwohl Bradbury meistens lediglich dem Namen
nach Science Fiction geschrieben hat. Selbst in seinen Weltraum-Geschichten interessiert er sich nicht für NegativIonen-Antriebe oder Relativitätskonverter. Es gibt Raketen,
sagte er in den zusammenhängenden Geschichten, welche The Martian Chronicles, R Is for Rocket und S Is for Space bilden. Mehr müssen Sie nicht wissen, und mehr werde ich
daher auch nicht erzählen.
Dem möchte ich noch hinzufügen, wenn Sie wissen möchten, wie Raketen in einer hypothetischen Zukunft funktionieren, dann müssen Sie Larry Niven oder Robert Heiniein
lesen; wenn Sie Literatur möchten Geschichten, um Jack
Finneys Wort zu gebrauchen -, die schildert, was die Zukunft
bereithalten könnte, dann müssen Sie Ray Bradbury oder
KurtVonnegut lesen. Was die Raketen antreibt, gehört in Popular Mechanics. Die Provinz des Schriftstellers ist, was die
Menschen antreibt.
Nachdem das alles gesagt ist, weise ich darauf hin, daß es
unmöglich ist, über Something Wicked This Way Comes, das
ganz eindeutig nicht Science Fiction ist, zu schreiben, ohne
Bradburys Lebenswerk in eine Perspektive zu rücken. Von
Anfang an waren seine besten Werke die der Fantasy …, und
seine beste Fantasy waren die Horror-Stories. Wie schon früher erwähnt, finden sich die besten frühen Bradbury-Geschichten in dem großartigen Arkham-House-Band Dark
Carnival gesammelt. Diese Ausgabe, die Dubliners der amerikanischen Fantasy, ist nur schwer erhältlich. Viele der Geschichten, die ursprünglich in Dark Carnival veröffentlicht
wurden, sind auch in der späteren Sammlung The October
Country (dt: Familientreffen) enthalten. Darin finden sich so
kurze Klassiker gänsehauterzeugenden Horrors wie »The
Jar« (dt: »Das Glas«), »The Crowd« und das unvergeßliche
»Small Assassin« (dt: »Baby«). Einige andere Geschichten
Bradburys, die in den vierziger Jahren entstanden, sind so
gräßlich, daß der Autor sie heute nicht mehr zum Abdruck
freigibt (einige wurden adaptiert und mit Genehmigung eines
jüngeren Bradbury in den Horror-Comics von E. C. veröffentlicht). Eine handelt von einem Bestattungsunternehmer,
der schlimme, aber seltsam moralische Scheußlichkeiten an
seinen »Kunden« begeht - als zum Beispiel drei alte Damen,
die für ihr Leben gerne bösen Klatsch erzählten, bei einem
Unfall ums Leben kommen, hackt ihnen der Bestattungsunternehmer die Köpfe ab und begräbt diese drei Köpfe zusammen, Mund an Ohr, damit sie bis in alle Ewigkeit ihren bösen
Kaffeeklatsch haben können.
Welchen Einfluß sein eigenes Leben auf das Verfassen von Something Wicked This Way Comes hatte, schildert Bradbury
selbst: »Something Wicked This Way Comes summiert die
Liebe, die ich mein ganzes Leben lang für Lon Chaney und
die Magier und Sonderlinge empfand, die er in den Filmen
der zwanziger Jahre gespielt hat. 1923, als ich drei Jahre alt
war, nahm mich meine Mutter mit in Hunchback [dt: Der
Glöckner von Notre Dame]. Das hat mich für immer beeinflußt. Phantom [of the Opera] als ich sechs war. Dasselbe. West of Zanzibar als ich ungefähr acht war. Zauberer verwandelt sich vor den Augen schwarzer Eingeborener in ein
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