Danse Macabre
meinen Hauptpersonen zu arbeiten,
aber ich hatte auch an den Vignetten Spaß, denn wenn ich es
satt hatte, was meine Helden taten, konnte ich einfach ent
-
lang jedwederTangente abhauen, die mir gefiel. Beim Sch reiben hatte ich immer nur ein Gefühl: >Ich werde einfach mei nen Spaß haben. Ich werde versuchen, die Grenze zu über schreiten, um festzustellen, mit wieviel ich durchkommen
kann.<«
In seinem Aufbau zeigt The Fog die Wirkung der apokalyp tischen Inse kten-Filme der fünfziger und frühen sechziger
Jahre. Alle Zutaten sind vorhanden: Wir haben einen ver
-
rückten Wissenschaftler, der mit etwas herumspielte, das er
nicht verstand, und der von dem Mycoplasma getötet wurdet
das er erfand; das Militär, das Geh eimwaffen testete und den
Horror freisetzte; den Helden, einen »jungen Wissenschaft ler«, John Holman, den wir erstmals sehen, wie er tapfer ein
kleines Mädchen aus der Erdverwerfung rettet, aus der der
Nebel auf die ahnungslose Menschheit losgelassen wur de; die
schöne Freundin, Casey; die obligatorische Versammlung
von Wissenschaftlern, die von der »F100-Methode zur Auflösung von Nebel« schwatzen und die Tatsache bedauern, daß
sie kein Kohlendioxid einsetzen können, weil »der Organis mu s davon gedeiht«, und die uns darüber informieren, daß
der Nebel in Wirklichkeit ein »pleuro-pneumonieartiger Organismus« ist.
Diese obligatorischen Zutaten der Science Fiction kennen
wir aus Filmen wie Tarantula, The Deadly Mantis, Them! und
einem Dutzend anderen; doch wir erkennen auch, daß sie
nicht mehr als Beiwerk sind und daß das Herz von Herberts
Roman nicht im Ursprung des Nebels oder seiner Zusammensetzung liegt, sondern in seiner eindeutig dionysischen
Wirkung - Mord, Selbstmord, sexuelle Abartigkeiten und
alle Arten unziemlichen Verhaltens. Holman, der Held, ist
unser Abgesandter aus einer vernünftigeren, apollinischen
Welt, und um Herbert Gerechtigkeit widerfahren zu lassen,
es gelingt ihm, Holman wesentlich interessanter zu gestalten
als die Null-Helden, die in zahllosen Insekten-Filmen von
William Hopper, Craig Stevens oder Peter Graves gespielt
wurden …, oder denken Sie, wenn Sie wollen, an den armen
Hugh Marlowe in Earth vs. the Flying Saucers, dessen einzige
Dialogzeilen im letzten Drittel des Films »Feuert auf die Untertassen!« und »Feuert auf die Untertassen, bis sie vernichtet sind!« zu sein scheinen.
Doch unser Interesse an Holmans Abenteuern und der
Frage, ob seine Freundin Casey sich von den Nebenwirkungen ihrer eigenen Begegnung mit dem Nebel erholen wird
oder nicht (und wie wird ihre Reaktion auf die Information
aussehen, daß sie ihrem Vater eine Schere in den Unterleib
gerammt hat, als sie unter dem Einfluß des Nebels stand?), ist
gering, wenn man es mit unserem morbiden »Langsam-ander-Unfallstelle-vorbeifahren«-Interesse an der alten Dame
vergleicht, die bei lebendigem Leib von ihren Katzen aufgefressen wird, oder dem verrückten Piloten, der seinen voll besetzten Jumbo-Jet in das Londoner Hochhaus hineinsteuert,
wo der Liebhaber seiner Frau arbeitet.
Ich glaube, die Unterhaltungsliteratur unterteilt sich ganz
natürlich in zwei Hälften: in die, die wir »Mainstream-Literatur« nennen, und in die, die ich »Pulp-Literatur« nennen
möchte. Zu den Pulps gehören die sogenannten »shudder
pulps«, deren bester Exponent Weird Tales war; sie sind schon
lange von der Bildfläche verschwunden, aber sie leben im
Roman weiter und sorgen überall inTaschenbuchständern für
gute Geschäfte. Viele dieser modernen Pulps wären in den
Pulp-Zeitschriften, die ungefähr von 1910 bis 1950 existierten, als Serien abgedruckt worden, wären sie damals entstanden. Aber ich möchte das Wort »pulp« nicht nur auf Arbeiten
im Genre Horror, Fantasy, Science Fiction, Detektivroman
und Western beschränken; Arthur Hailey zum Beispiel ist für
mich ein Verfasser moderner Pulps. Sämtliche Zutaten sind
vorhanden, von der unvermeidlichen Gewalt bis zur unvermeidlichen hilfebedürftigen Dame. Die Kritiker, die Hailey
regelmäßig über dem offenen Feuer rösten, sind dieselben
Kritiker, die - was erzürnend genug ist - den Roman als in
zwei Sparten unterteilbar ansehen: »Literatur«, die mit ihren
Werten entweder erfolgreich ist oder scheitert, und »Unterhaltungsliteratur«, die immerzu scheitert, wie gut sie auch
sein mag (ab und zu kommt es vor, daß ein Schriftsteller wie
John D. MacDonald im Denken des Kritikers vom Verfasser
von »Unterhaltungsliteratur« zum Verfasser von
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