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Danse Macabre

Danse Macabre

Titel: Danse Macabre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Hair of Harald Roux sagt uns Thomas Williams, daß das Schreiben eines langen literarischen Werkes so ist, als würde man Personen auf einer
großen, schwarzen Fläche versammeln. Sie stehen um das
kleine Feuer der Erfindungsgabe des Schriftstellers herum,
wärmen sich die Hände an den Flammen und hoffen, das
Feuer wird zu einem Flammenmeer hochlodern, das nicht
nur Wärme, sondern auch Licht spendet. Aber häufig geht es
aus, das Licht erlischt, und die Personen ersticken in der
Schwärze. Das ist eine wunderschöne Metapher für den Prozeß der Entstehung von Literatur, aber sie ist nicht von
mir …, sie ist wahrscheinlich zu sanft, um von mir zu sein. Ich
habe den Roman stets als großes, schwarzes Schloß gesehen,
das man angreifen muß, eine Bastion, die man mit Gewalt
oder mit List einnehmen muß. Das Besondere an diesem
Schloß ist, es scheint offen zu sein. Es sieht überhaupt nicht
aus, als sei es für eine Belagerung zugeknöpft. Die Zugbrücke ist heruntergelassen. Das Tor steht offen. Keine Bogenschützen auf den Zinnen. Das Problem ist, es gibt wirklieh nur einen sicheren Weg hinein; jeder andere Versuch einzutreten resultiert in plötzlicher Vernichtung aus einer unbekannten Quelle.
    Bei meinem Buch über Patty Hearst fand ich nie den richtigen Weg hinein …, und während der ganzen sechs Wochen
nagte etwas anderes ganz leise in meinem Hinterkopf. Es war
eine neue Geschichte; ich hatte gelesen, daß in Utah versehentlich chemische und biologische Kampfstoffe ausgetreten
waren. Die bösen, garstigen Käfer entkamen aus ihren Kanistern und töteten eine Schafherde. Aber in dem Zeitungsartikel stand, wenn der Wind in die andere Richtung geweht
hätte, dann hätten die Bewohner von Salt Lake City eine unangenehme Überraschung erleben können. Dieser Artikel
rief Erinnerungen an einen Roman von George R. Stewart
mit dem Titel Earth Abides (dt: Leben ohne Ende) in mir
wach. In Stewarts Buch löscht eine Seuche den größten Teil
der Menschheit aus, und der Protagonist, der durch einen
perfekt abgepaßten Schlangenbiß immun wurde, wird Zeuge
der ökologischen Veränderungen, die das Verschwinden der
Menschheit mit sich bringt. Die erste Hälfte von Stewarts langem Buch ist fesselnd; die zweite Hälfte dagegen eher schleppend - zuviel Ökologie, nicht genügend Story.
    Damals lebten wir in Boulder, Colorado, und ich hörte mir
den Bibel-Sender an, der ziemlich regelmäßig aus Arvada
sendete. Einmal hörte ich einen Prediger den Bibeltext erläutern. »Einmal in jeder Generation wird eine Plage über sie
kommen.« Dieser Satz - der wie ein Zitat aus der Bibel
klingt, aber keines ist - gefiel mir so gut, daß ich ihn aufschrieb und über meine Schreibmaschine tackerte: Einmal in
jeder Generation wird eine Plage über sie kommen.
    Dieser Satz und die Meldung über den Kampfstoff-Unfall
in Utah und die Erinnerung an Stewarts gutes Buch vermengten sich allesamt mit meinen Gedanken über Patty Hearst
und die SLA, und als ich einesTages an der Schreibmaschine
saß und mein Blick zwischen der unheimlichen Predigt an der
Wand und dem weißen Schreibmaschinenpapier, das mich
fast wahnsinnig machte, hin und her glitt, schrieb ich - nur
um überhaupt etwas zu schreiben: Die Welt wird vernichtet,
ober alle in der SLA sind irgendwie immun. Eine Schlange hat
sie gebissen. Das betrachtete ich eine Weile, dann schrieb ich: Keine Benzinknappheit mehr. Das war auf eine gräßliche
Weise fröhlich. Keine Menschen mehr, keine Pipelines.
Unter Keine Benzinknappheit mehr schrieb ich immer schneiler: Kein kalter Krieg mehr. Keine Umweltverschmutzung
mehr. Keine Krokodillederhandtaschen mehr. Keine Verbrechen mehr. Ein Zeitalter des Friedens. Das letzte gefiel mir besonders gut. Es hörte sich wie etwas an, das aufgeschrieben
werden mußte. Ich unterstrich es. Ich saß etwa eine Viertelstunde da, hörte mir über meinen kleinen Cassettenrecorder
die Eagles an, und dann schrieb ich: Donald DeFreeze ist der
dunkle Mann. Ich meinte nicht, daß DeFreeze ein Schwarzer
war; mir war nur plötzlich aufgefallen, daß man DeFreezes
Gesicht auf den Fotos von dem Banküberfall, an dem Party
Hearst teilgenommen hatte, kaum sehen konnte. Er hatte
einen Hut mit breiter Krempe auf, und man konnte bestenfalls vermuten, wie er aussah. Ich schrieb: Ein dunkler Mann
ohne Gesicht, und dann sah ich auf und sah den grimmigen
Leitspruch wieder: Einmal in jeder Generation wird eine
Plage über sie kommen. Und das war es dann. Die nächsten
zwei Jahre

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