Danse Macabre
dieweil ein Grinsen ihm die
Wangen furchte.
Victor reagiert auf diese Vision, wie jeder geistig gesunde
Mann reagieren würde; er flieht kreischend in die Nacht. Der
Rest von Shelleys Geschichte ist eine Shakespearsche Tragödie, deren klassische Einheit nur von Ms. Shelleys Unsicherheit durchbrochen wird, wo der fatale Makel liegt. Liegt er in
Victors Hybris (der sich eine Macht anmaßte, die nur Gott zusteht) oder in seinem Scheitern, die Verantwortung für das
Geschöpf zu übernehmen, nachdem er ihm den Lebensfunken eingehaucht hat?
Das Monster beginnt seine Rache an seinem Schöpfer
damit, daß er Frankensteins kleinen Bruder William ermordet. Es tut uns übrigens nicht besonders leid, Williams Dahinscheiden mitzuerleben; als das Monster versucht, mit dem
Jungen Freundschaft zu schließen, antwortet William: »Gräßliches Ungetüm! Laß mich los! Mein Papa ist ein Ratsherr es ist Monsieur Frankenstein -, er wird dich ins Gefängnis
werfen! Wag es nur ja nicht, mich festzuhalten!« Diese Frechheit eines reichen Knaben ist Williams letzte; als das Monster
den Namen seines Schöpfers hört, dreht es dem Jungen den
frechen, kleinen Hals herum.
Eine unschuldige Dienerin im Frankensteinschen Haushalt, Justine Moritz, wird des Verbrechens angeklagt und
prompt dafür gehängt - womit sich die Schuld des unglücklichen Frankenstein verdoppelt. Kurz danach kommt das Monster zu seinem Schöpfer und erzählt ihm die Geschichte.* Es
* Ein großer Teil der Geschichte ist unfreiwillig komisch. Das Monster
versteckt sich in einem Schuppen neben einer Bauernhütte. Einer der
Bauern, Felix, bringt seiner Freundin, einer geflohenen, arabischen
läuft darauf hinaus, daß er eine Gefährtin möchte. Er sagt
Frankenstein, wenn ihm sein Wunsch gewährt wird, wird er
seine Frau nehmen, und die beiden werden ihr Leben in
einem einsamen Ödland verbringen (Südamerika wird angedeutet, da New Jersey noch nicht erfunden worden ist), für
immer fern von Augen und Denken der Menschen. Die Alternative, droht das Monster, ist eine Schreckensherrschaft. Er
verleiht seinem existentialistischen Credo Ausdruck - besser
etwas Böses tun als gar nichts tun -, indem er sagt: »Ich will
mich schrecklich rächen an den Menschen für das, was sie mir
angetan! Vermag ich’s nimmer, Liebe zu erwecken, nun gut,
so mag man Furcht vor mir empfinden! Zuvörderst schwör’
ich meinem Erzfeind, nämlich dir, dem ich dies Leben danke,
Haß auf Lebenszeit! Sei auf der Hut! An deinem Untergange
will ich wirken, und will nicht müde werden, bis dir das Herz
verzweifelt und du der Stunde fluchst, da du geboren wurdest.«
Schließlich willigt Victor ein und erschafft die Frau tatsächlich. Diesen zweiten Schöpfungsakt vollbringt er auf einer
der Orkney-Inseln, und auf diesen Seiten gelingt Mary Shelley eine intensive Schilderung von Stimmung und Atmosphäre, die der Erschaffung des Originals beinahe gleichkommt. Augenblicke bevor er der Kreatur Leben spendet,
wird Frankenstein von Zweifeln geplagt. Er stellt sich vor,
wie die Welt von diesen beiden verwüstet wird. Schlimmer, er
sieht sie als böse Adam und Eva einer neuen Rasse von Monstern. Als Kind ihrer Zeit kam Shelley offenbar nicht auf die
Idee, daß es einem Mann, der Leben aus verwesenden Leichenteilen erschaffen kann, ein leichtes sein müßte, eine
Frau ohne die Fähigkeit zu schaffen, ein Kind zu empfangen.
Adligen namens Sofie, seine Sprache bei; so lernt das Monster sprechen. Seine Leseübungen sind Das verlorene Paradies, die Viten des
Plutarch und Die Leiden des jungen Werthers [sie], Bücher, die er in
einer im Straßengraben liegenden Kiste gefunden hat. Diese barocke
Geschichte-in-der-Geschichte wird nur noch von Defoes Robinson
Crusoe übertroffen, als Crusoe sich nackt auszieht, zu dem Wrack seines Schiffes hinausschwimmt und dort, so Defoe, seine Taschen mit
allen möglichen Gütern füllt. Meine Bewunderung für solchen Einfallsreich tum kennt keine Grenzen.
Das Monster erscheint unmittelbar nachdem Frankenstein
seine Gefährtin vernichtet hat; natürlich hat er ein paar Worte
für Victor Frankenstein übrig, und keines davon lautet
»Happy Birthday«. Die Schreckensherrschaft, die er angedroht hat, findet wie eine Kette von Krachern statt (aber in
Ms. Shelleys ruhigem Stil ist sie mehr eine Rolle Knallerbsen). Zum Auftakt wird Frankensteins Jugendfreund Henry
Clerval von dem Monster erwürgt. Kurz danach stößt das
Monster die schrecklichste Drohung des Buches aus; es verspricht
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