Danse Macabre
Frankenstein. In diesem
Film bastelt Whit Bissell sein Geschöpf, das von Gary Conway gespielt wird, aus den Körpern toter Halbstarker. Die übriggebliebenen Teile verfüttert er an die Alligatoren unter
dem Haus - natürlich drängt sich uns schon am Anfang der
Verdacht auf, daß Bissell selbst von den Alligaties gemampft
werden wird, und wir werden nicht enttäuscht. In diesem
Film ist Bissell ein totaler Bösewicht, und er erreicht beinahe
existentialistische Höhen des Schurkischen: »Er weint, sogar
die Tränendrüsen funktionieren! … Du hast eine höfliche
Zunge im Kopf. Das weiß ich, weil ich sie selbst angenäht
habe.«* Aber es ist der unglückliche Conway, der Aufmerksamkeit erregt und den Film beherrscht. Die körperlichen
Makel Conways sind, wie der Schurkencharakter Bisseils, so
schrecklich, daß sie beinahe absurd wirken …, er sieht wie
ein High-School-Junge aus, dessen Akne völlig Amok gelaufen ist. Sein Gesicht ist eine Reliefkarte bergigen Terrains,
aus dem ein zerschmettertes Auge irre hervorglotzt.
Und dennoch … und dennoch …, irgendwie gelingt es diesem schlurfenden Geschöpf, etwas mit Rock’n’Roll anzufangen, also kann er doch nicht so schlecht sein, oder? Wir haben
das Monster gesehen, und es ist, wie Peter Straub in Ghost
Story nachweist, wir selbst.
Wir werden noch mehr zum Thema Monstrosität zu sagen
haben, wenn es soweit ist, und hoffentlich etwas Profunderes
als das, was in dem Erz enthalten ist, das wir aus I Was a
Teenage Werewolf und I Was a Teenage Frankenstein schürfen
können, aber ich fand es vorläufig wichtig festzustellen, daß
diese Geschichten vom Haken selbst auf der primitivsten
Ebene ein paar Dinge tun, ohne es zu wollen. Allegorie und
Katharsis sind beide vorhanden, aber nur deshalb, weil der
Verfasser von Horror-Literatur mehr als alles andere ein Vertreter der Norm ist.
* Zitiert nach An Illustrated History of the Horror Film, von Carlos Ciarens (NewYork: Capricorn Books, 1968).
Dies trifft auf die bodenständige Seite des Horror zu, und
wir werden feststellen, daß es auch für Werke gilt, die bewußter künstlerisch sind, doch wenn wir unsere Studie den mythischen Eigenschaften von Horror und Schrecken zuwenden,
dann werden wir feststellen, daß wir zu noch beunruhigenderen und verwirrenderen Assoziationen kommen. Aber um
diesen Punkt zu erreichen, müssen wir unsere Untersuchung
jetzt vom Film abwenden, wengistens für eine Weile, und uns
drei Romanen zuwenden, die den größten Teil des Fundaments bilden, auf denen das moderne Horror-Genre steht.
III
GESCHICHTEN VOM TAROT l
E
ines der häufigsten Themen der phantastischen Literatur ist das der Unsterblichkeit. »Das Ding, das nicht
sterben wollte«, gehört vom Beowulf bis zu Poes Geschichte
von M. Valdemar und vom verräterischen Herzen zum Repertoire des Genres, sogar bis hin zu den Werken Lovecrafts (beispielsweise »Cool Air« [dt: »Kühle Luft« bzw. »Ein kühler
Hauch«]), Blatty und sogar, Gott schütze uns, John Saul.
Die drei Romane, die ich in diesem Kapitel abhandeln
möchte, scheinen diese Unsterblichkeit tatsächlich erlangt zu
haben, und ich glaube, es ist unmöglich, Horror in den Jahren
1950 bis 1980 zum völligen Verständnis abzuhandeln, wenn
wir nicht mit diesen drei Büchern anfangen. Alle drei leben
eine Art »Halbleben« außerhalb des erlauchten Kreises anerkannter »Klassiker« der englischsprachigen Literatur, und
das vielleicht mit gutem Grund. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (dt: Dr. Jekyll und Mr. Hyde) wurde von Robert Louis Stevenson
fieberhaft innerhalb von dreiTagen geschrieben, und das Manuskript erschreckte seine Frau so sehr, daß er es in seinem
Kamin verbrannte und binnen drei Tagen noch einmal
schrieb. Dracula ist ein unverblümtes Herz-Schmerz-Melodram, das in den Rahmen eines Briefromans gezwängt wurde
- eine Form, die schon zwanzig Jahre zuvor ihren letzten
Atemzug getan hatte, als Wilkie Collins den letzten seiner
großen Kriminal- und Spannungsromane geschrieben hat. Frankenstein, das berüchtigtste der drei Bücher, wurde von
einem neunzehnjährigen Mädchen ersonnen, und wenngleich es von den dreien das am besten geschriebene Buch ist,
ist es das am wenigsten gelesene, und seine Verfasserin hat nie
wieder so schnell, so gut, so erfolgreich … oder so verwegen
geschrieben.
Im unfreundlichsten kritischen Licht kann man alle drei als
nichts weiter als populäre Romane ihrer Zeit ansehen, die
wenig oder gar nichts von ähnlichen Romanen unterschied zum Beispiel
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