Danse Macabre
zu
kommen. Aber zuvor möchte ich Sie gerne an etwas erinnern,
das Sie wahrscheinlich schon wissen. Viele der alten
Radiosendungen, von Inner Sanctum über Gangbusters bis zu dem
rührseligen Our Gal Sal, wurden auf Tonband erhalten, und
die Qualität dieser Aufzeichnungen ist in vielen Fällen besser
als die der alten Fernsehfilme, die von Zeit zu Zeit in Nostalgie-Sendungen wiederholt werden. Wenn Sie daran interessiert sind, herauszufinden, wie es um Ihre eigene Fähigkeit
bestellt ist, den Unglauben aufzuheben und um die von Fernsehen und Film erforderlich gemachte visuelle Kulisse herumzusteuern, dann können Sie damit in fast jedem gutsortierten Plattenladen anfangen. Der Schwann’s Catalogue, der
Sprechplatten auflistet, kann noch nützlicher sein; was der
freundliche Plattenhändler in Ihrer Nachbarschaft nicht vorrätig hat, das wird er Ihnen gerne bestellen. Und wenn Ihr Interesse an Arch Oboler durch das Vorhergehende geweckt
wurde, dann möchte ich Ihnen ein kleines Geheimnis ins Ohr
flüstern: Drop Deads An Exercise in Horror produziert, geschrieben und unter der Regie von Oboler entstanden, ist auf
Capitol Records (Capitol: SM-1763) erhältlich. Im Sommer
wahrscheinlich abkühlender als ein Glas Eistee …, wenn Sie
sich der visuellen Kulisse etwa vierzig Minuten oder so entledigen können.
VI DER MODERNE AMERIKANISCHE
HORROR-FLLM -TEXT UND
SUBTEXT
l
I
m Augenblick werden Sie wahrscheinlich bei sich denken:
Der Mann muß Nerven haben, wenn er glaubt, daß er
sämtliche Horror-Filme abhandeln kann, die zwischen 1950
und 1980 in die Kinos kamen - alles von The Exorcist bis zu
dem weniger als unsterblichen The Navy vs. the Night Monsters -, und noch dazu in einem einzigen Kapitel.
Nun, tatsächlich werden es zwei Kapitel werden, und nein,
ich glaube nicht, daß ich sie alle abhandeln kann, so gerne ich
es tun würde; aber ja, ich muß tatsächlich Nerven haben, daß
ich mich überhaupt an das Thema heranwage. Glücklicherweise - für mich - gibt es ein paar ziemlich traditionelle Wege,
das Thema zu behandeln, so daß sich wenigstens eine Illusion
von Ordnung und Zusammenhang einstellt. DerWeg, für den
ich mich entschieden habe, ist der des Horror-Films als Text
und Subtext.
Ich glaube, ein guter Anfang wäre eine kurze Rekapitula tion dessen, was ich bereits beim Thema »der Horror-Film als
Kunst« angesprochen habe. Wenn wir sagen, daß »Kunst«
jede kreative Arbeit ist, bei der ein Publikum mehr bekommt, als es gibt (zugegebenermaßen eine sehr freizügige
Definition, aber in diesem Genre zahlt es sich nicht aus, zu
pingelig zu sein), dann ist der künstlerische Wert eines Horror-Films meiner Meinung nach am häufigsten seine Fähigkeit, eine Liaison zwischen unseren eingebildeten Ängsten
und unseren tatsächlichen Ängsten herzustellen. Ich habe gesagt und ich wiederhole es hier mit Nachdruck, daß die wenigsten Horror-Filme der »Kunst« wegen gemacht werden; die
meisten werden lediglich des »Profits« wegen hergestellt. Die
Kunst wird nicht wissentlich geschaffen, sondern ist bestenfalls Nebenprodukt, so wie Strahlung das Nebenprodukt
eines Atomkraftwerks ist.
Mit dem obigen will ich freilich nicht sagen, daß jeder »Exploitation«-Film Kunst ist. Man könnte an jedem beliebigen
Nachmittag oder Abend die 42ste Straße am Times Square
entlanggehen und Filme mit Titeln wie The Bloody Mutilators, The Female Butcher oder The Ghostly Ones sehen - letzterer ein Film von 1972, in dem wir den bezaubernden Anblick zu sehen bekommen, wie eine Frau mit einer Säge aufgeschnitten wird; die Kamera zeigt uns, wie ihre Eingeweide
zu Boden purzeln. Das sind abscheuliche kleine Filme ohne
das geringste Maß an Kunst, und nur der dekadenteste Kinogänger würde das Gegenteil behaupten. Sie sind das gestellte
Äquivalent jener 8- und 16- mm-formatigen »snuff movies«,
die angeblich von Zeit zu Zeit aus Südamerika kommen sollen.*
Ein anderer Punkt, den man nicht unerwähnt lassen sollte,
ist das große Risiko, das ein Filmemacher eingeht, wenn er
oder sie beschließt, einen Horror-Film zu drehen. In anderen
Genres ist das einzige Risiko das eines Flops - wir können
zum Beispiel sagen, daß der Mike-Nichols-Film The Day of
the Dolphin (dt: Der Tag der Delphine) ein »Flop« war, aber
er löste keinen öffentlichen Aufschrei aus, keine Mütter
zogen gegen die Kinos ins Feld. Aber wenn ein Horror-Film
flopt, dann liegt das häufig an schmerzlicher Absurdität oder
pornographischer Gewalt.
Das sind Filme, die
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