Danse Macabre
-Martin-ähnlichen
Titel »ADay at the Dentist’s«.
Als die Geschichte anfängt, macht der »Held«, ein Zahn
-
arzt, gerade die Praxis zu, weil Feierabend ist. Seine Arzthel ferin sagt, daß er noch einen Patienten hat, einen Mann na
-
mens Fred Houseman.
»Er sagt, es ist ein Notfall«, sagte sie zu ihm.
»Houseman?« bellt der Zahnarzt.
»Ja.«
»Fred?«
»Ja …, kennen Sie ihn?«
»Nein …, oh, nein«, sagt der Zahnarzt beiläufig.
Es stellt s ich heraus, daß Houseman deshalb gekommen
ist, weil Dr. Charles, der vorherige Inhaber der Praxis, sich in
der Werbung als »schmerzloser« Zahnarzt bezeichnete
- und
Houseman, obschon ehemaliger Ringer und Footballspieler,
hat schreckliche Angst vor dem Zah narzt (wie so viele von
uns …, und Oboler weiß das verdammt genau).
Houseman empfindet das erste Unbehagen, als der Arzt
ihn auf dem Stuhl festschnallt. Er protestiert. Der Zahnarzt
sagt ihm mit leiser, durch und durch vernünftiger Stimme
(und oh, wie diese Vernunft Argwohn in uns weckt! Denn wer
hört sich letztendlich normaler an als der gefährliche Irre?),
daß er sich »auf gar keinen Fall bewegen darf, um die
Schmerzlosigkeit zu gewährleisten«.
Eine Pause, dann das Geräusch von Gurten, die zugezogen
werden.
Fest.
»So«, sagt der Zahnarzt beruhigend, immer noch mit die ser leisen, angenehmen und ach so vernünftigen Stimme, und
er nennt Houseman immerzu »unser Freund«. Es stellt sich
heraus, daß Houseman das Mädchen zugrunde gerichtet hat,
das später die Frau des Zahnarztes wurde; Houseman
brachte ihren Namen von einem Ende der Stadt zum anderen
in Verruf. Der Zahnarzt fand heraus, daß Housemans Zahnarzt Dr. Charles war, daher kaufte er Charles’ Praxis in der
Überzeugung, daß Houseman früher oder später wiederkommen würde … zum »schmerzlosen« Zahnarzt.
Und während er darauf wartete, brachte der neue Zahnarzt Gurte an seinem Stuhl an.
Nur für Fred Houseman.
Das hat natürlich jeden Zusammenhang mit der Wirklichkeit längst hinter sich gelassen (aber dasselbe kann man auch
für The Tempest [dt: Der Sturm ]
sagen - ist das nicht ein dreister Vergleich?); doch der Verstand schert sich an der entscheidenden Stelle keinen Deut darum, und Oboler scherte
sich selbstverständlich auch nie darum; wie die besten Horror-Schriftsteller, interessierte er sich in erster Linie für den
Effekt, bevorzugte jenen, der den Zuhörer wie eine zwanzig
Pfund schwere Schieferplatte erschlägt. In »A Day at the
Dentist’s« gelingt ihm das vortrefflich.
»W-was haben Sie vor?« fragte Houseman ängstlich und
spricht damit genau die Frage aus, die uns auch die ganze Zeit
im Kopf herumspukt - praktisch seit dem Augenblick, als wir
närrisch genug waren, dieses kaltblütige Spiel einzuschalten.
Die Antwort des Zahnarztes ist einfach und durch und
durch grauenerregend - noch grauenerregender wegen des
unangenehmen Seminars, das sie in unserem Verstand erzeugt, ein Seminar, an dem Oboler letztlich keinen Anteil
nimmt und es damit uns überläßt, solange wir wollen über die
Frage nachzudenken. Unter den Umständen wollen wir vielleicht überhaupt nicht lange darüber nachdenken.
»Nichts Besonderes«, antwortet der Zahnarzt, während er
einen Schalter drückt und der Bohrer anfängt zu heulen. »Ich
werde nur ein kleines Loch bohren … und ein klein wenig
von unserem Freund herauslassen.«
Während Houseman im Hintergrund vor Angst schluchzt
und sabbert, ertönt das Heulen des Bohrers …, wird lauter …, lauter … und hört schließlich auf. Ende.
Natürlich stellt sich die Frage, wo genau hat der dämonische Zahnarzt sein kleines Loch gebohrt, um »ein klein wenig
von unserem Freund« herauszulassen? Das ist eine Frage, die
nur das Radio aufgrund der Natur dieses Mediums wirklich
überzeugend stellen und so unbehaglich unbeantwortet lassen kann. Wir hassen Oboler ein wenig, weil er es uns nicht
sagt, vor allem natürlich deshalb, weil unser Verstand die unangenehmsten Möglichkeiten durchspielt.
Mein erster Gedanke war der, daß der Zahnarzt den Bohrer mit ziemlicher Sicherheit an Housemans Schläfe angesetzt und ihn mit ein wenig unsachgemäßer Gehirnchirurgie
getötet hat.
Aber später, als ich älter wurde und die Natur von Housemans Verbrechen besser begriff, kam mir eine andere Möglichkeit. Eine noch viel gräßlichere.
Selbst heute, während ich dies schreibe, frage ich mich
noch: Wo genau hat der Verrückte seinen Bohrer angesetzt?
4
Nun, genug ist genug; es wird Zeit, vom Ohr zum Auge
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