Danse Macabre
den
Hauptrollen. Übrigens, produziert wurde der Film von unserem Freund Val Lewton.
Als Beispiel für Kunst ist The Body Snatcher eines der besten der vierziger Jahre. Und als Beispiel dieses zweiten
künstlerischen »Zweckes« -Tabus zu brechen -, ist er eindeutig ein Juwel.
Ich denke, wir sind uns alle darin einig, daß eine der großen
Ängste, mit denen wir uns auf einer persönlichen Ebene beschäftigen müssen, die Angst vor dem Sterben ist; ohne den
guten alten Gevatter Tod, auf den sie zurückgreifen können,
wäre es um die Horror-Filme wahrhaft schlecht bestellt. Eine
Begleiterscheinung dessen ist, daß es »schöne« Tode und
»schlimme«Tode gibt; die meisten von uns würden gerne im
Alter von achtzig Jahren friedlich im Bett sterben (im Idealfall nach einem guten Essen, einer Flasche erlesenen Vmos und einem wirklich tollen Fick), aber die wenigsten von uns
möchten herausfinden, wie es sein mag, langsam unter einer
Automobilhebebühne zerquetscht zu werden, während uns
Getriebeöl auf die Stirn tropft.
Viele Horror-Filme beziehen ihre besten Effekte aus dieser
Angst vor dem »schlimmen« Tod (etwa in The Abominable
Dr. Phibes [dt: Das Schreckenskabinett des Dr. Phibes], wo
Phibes seine Opfer eines nach dem anderen ausschaltet,
indem er die zwölf Plagen Ägyptens in etwas modernisierten
Fassungen verwendet, ein Einfall, der den Batman-Comics in
ihren erfolgreichsten Zeiten würdig gewesen wäre). Wer kann
zum Beispiel das tödliche Fernglas in Horrors of the Black
Museum (dt: Das schwarze Museum) vergessen? Es hatte
zehn Zentimeter lange Stacheln an Sprungfedern, und wenn
das Opfer es vor die Augen hielt und die Schärfe einstellte …
Andere leiten den Horror einfach von der Tatsache des
Todes selbst ab und von der Verwesung, die nach demTod eintritt. In einer Gesellschaft, in der soviel auf die vergänglichen
Vorzüge von Jugend, Gesundheit und Schönheit gegeben
wird (und letzteres wird, finde ich, häufig durch die beiden ersteren definiert), werden Tod und Verwesung unweigerlich
schrecklich und unweigerlich zu Tabus. Wenn Sie anderer
Meinung sind, dann fragen Sie sich einmal, weshalb Zweitkläßler bei ihrem Ausflug neben dem Polizeirevier, der Feuerwache und dem nächstgelegenen McDonald’s nicht auch
noch die Leichenhalle besuchen - man könnte sich vorstellen
- jedenfalls kann ich das in meinen morbidesten Augenblikken -, daß Leichenhalle und McDonald’s kombiniert sind;
Höhepunkt des Ausflugs wäre dann natürlich die Besichtigung des McLeichnam.
Nein, die Leichenhalle ist tabu. Bestattungsunternehmer
sind moderne Priester, die ihre geheimnisvolle Magie der
Kosmetik und Einbalsamierung in Räumen ausüben, die
deutlich mit dem Schild »Zutritt verboten« gekennzeichnet
sind. Wer wäscht dem Leichnam das Haar? Werden die Finger- und Zehennägel des lieben Verblichenen ein letztes Mal
geschnitten? Stimmt es, daß dieToten mit Schuhen eingesargt
werden? Wer zieht sie für ihren letzten Starauftritt im Ausstellungsraum der Leichenhalle an? Wie wird ein Einschußloch
zugemacht und verborgen? Wie werden Würgemale überdeckt?
Die Antworten auf alle diese Fragen sind verfügbar, gehören aber nicht zum Allgemeinwissen. Und wenn Sie die Antworten zum Teil Ihrer Allgemeinbildung machen, dann werden Ihre Mitmenschen Sie für ein wenig seltsam halten. Ich
weiß es; als ich für einen noch unveröffentlichten Roman
recherchierte, in dem ein Vater versucht, seinen Sohn von
den Toten zurückzuholen, sammelte ich einen dreißig Zentimeter hohen Stapel Literatur über Begräbnisse - und handelte mir verstohlene Blicke von Leuten ein, die sich fragten,
weshalb ich The Funeral: Vestige or Value? las,*
Das soll nicht heißen, daß die Leute nicht ab und zu Interesse daran hätten, was sic h hinter der verschlossenen Tür im
Keller der Leichenhalle befindet oder was sich auf dem hiesigen Friedhof abspielen mag, nachdem die Trauergemeinde
gegangen ist … oder bei Vollmond. The Body Snatcher ist
keine Geschichte vom Übernatürlichen, und er wurde dem
Publikum auch nicht als solcher angepriesen; er wurde als
Film geworben (wie der Dokumentarfilm Mondo Cane), der
uns »über die Grenze« führt, über die Trennlinie, welche den
Rand der Tabu-Zone kennzeichnet.
»Friedhöfe geplündert, Kinder für Leichensezierungen ermordet!« verkündete das Kinoplakat sensationslüstern. »Undenkbare Wirklichkeiten und unglaubliche TATSACHEN aus
den frühen Tagen medizinischer Forschungen auf die SCHOK - KIERENDSTE
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