Danse Macabre
Subtexte von Techno-Horror-Filmen kann festgestellt werden, wenn man Filme dieser Art aus
den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren vergleicht. In
den fünfziger Jahren war der Schrecken der Bombe und des
radioaktiven Niederschlags etwas Reales und Entsetzliches,
und er hinterließ eine Narbe bei diesen Kindern, die gut sein
wollten, wie die Depression der dreißiger Jahre eine Narbe
bei ihren Eltern hinterlassen hatte. Eine neuere Generation
- jetzt immer noch Teenager, ohne Erinnerungen an die
Kuba-Krise oder Kennedys Ermordung in Dallas, die mit der
Milch der Entspannungspolitik großgezogen wurden - wird
den Schrecken dieser Dinge vielleicht nicht verstehen können, aber sie wird zweifellos die Möglichkeit haben, sie in den
Jahren enger geschnallter Gürtel und wachsender Spannungen, die vor uns liegen, kennenzulernen …, und die Filme
werden zur Stelle sein, um ihren vagen Ängsten konkrete
Brennpunkte zu geben, und zwar in den kommenden HorrorFilmen.
Es mag sein, daß nichts auf der Welt schwerer zu verstehen
ist als ein Schrecken, dessen Zeit gekommen und vorübergegangen ist - darum können Eltern ihre Kinder schimpfen,
wenn diese Angst vor dem schwarzen Mann haben, obwohl
sie als Kinder genau mit denselben Ängsten zu kämpfen hatten (und mit denselben mitfühlenden, aber verständnislosen
Eltern). Das könnte der Grund sein, weshalb der Alptraum
einer Generation zur Soziologie der nächsten Generation
wird, und selbst die, die durch das Feuer gegangen sind,
haben Schwierigkeiten, sich daran zu erinnern, wie sich die
glühenden Kohlen anfühlten.
Ich erinnere mich zum Beispiel, daß 1968, als ich einundzwanzig Jahre alt war, das Thema lange Haare ein besonders
übles war. Das mag heute so schwer zu verstehen sein wie die
Vorstellung, daß sich einst Menschen wegen des Problems
umbrachten, ob die Erde um die Sonne oder die Sonne um
die Erde kreist, aber auch das ist geschehen.
In jenem glücklichen Jahr 1968 wurde ich von einem Bauarbeiter aus einer Bar namens Stardust in Brewer, Maine, hinausgeworfen. Der Kerl hatte Muskeln auf den Muskeln und
sagte mir, ich könne wiederkommen, wenn »du deine Haare
geschnitten hast, du elende Schwuchtel«. Da gab es die üblichen Ausrufe aus vorbeifahrenden Autos (normalerweise
alten Autos mit Heckflossen und Krebs an den Kotflügeln):
Bist du ein Junge oder ein Mädchen? Wann hast du zum letzten Mal gebadet? Und so weiter, wie Vater Kurt so zutreffend
sagt.
Ich kann mich daran auf eine intellektuelle, sogar analytische Weise erinnern, ebenso wie ich mich daran erinnern
kann, daß ich einen Verband hatte, der ins Fleisch gewachsen
war, als ich im Alter von zwölf Jahren eine Zyste entfernt bekommen hatte. Ich schrie vor Schmerzen und verlor dann das
Bewußtsein. Ich erinnere mich an das ziehende Gefühl, als
der Mull von dem neuen, gesunden Gewebe weggezogen
wurde (die Entfernung desVerbandes wurde von einer Hilfsschwester besorgt, die offenbar keine Ahnung hatte, was sie
tat), ich kann mich an den Schrei erinnern und ich kann mich
an das Ohnmächtigwerden erinnern. Woran ich mich nicht
erinnern kann, sind die Schmerzen selbst. Dasselbe ist es mit
den Haaren und im weiteren Sinne mit allen Schmerzen des
Erwachsenwerdens im Zeitalter von Napalm und der NehruJacke. Ich habe es absichtlich vermieden, einen Roman vor
dem Hintergrund der sechziger Jahre zu schreiben, weil mir
das alles, wie das Entfernen dieses Verbandes, inzwischen
sehr fern erscheint - fast so, als wäre es einer anderen Person
widerfahren. Aber das alles ist geschehen; der Haß, die Paranoia und die Angst auf beiden Seiten waren nur zu real.
Wenn wir das bezweifeln, dann müssen wir nur den fundamentalen Gegenkultur-Horror-Film Easy Rider ansehen, wo
Peter Fonda und Dennis Hopper von einer Bande Rednecks
mit Pritschenwagen weggepustet werden, während Roger
McGuinn Bob Dylans »It’s All Right, Ma (I’m Only Bleeding)« singt.
Ebenso ist es schwer, sich an die Ängste zu erinnern, die
mit den Boom-Jahren der Atomtechnologie vor fünfundzwanzig Jahren kamen. Die Technologie selbst war strikt
apollinisch; so apollinisch wie der nette Junge Larry Talbot,
der »sein Abendgebet sprach«. Das Atom wurde nicht von
einem kichernden Colin Clive oder Boris Karloff in einem abstrusen, fernöstlichen Labor gespalten, sondern mittels Alchimie und Mondschein inmitten eines Runenkreises; es
wurde von einer Menge kleiner Jungs in Oak Ridge und
White Sands getan, Jungs, die Tweedjacketts trugen und Lukkies
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