Dante Valentine 02 - Hoellenritt
etwas Nichtmenschliches zu riechen – etwas, das nicht nach sterbenden Zellen stank, nach Leid, nach unweigerlichem Vergehen.
Japhrimel ist fort, dachte ich, und selbst der scharfe Schmerz, der mich durchfuhr, erschien irgendwie rein. „Was wisst Ihr über Christabel Moorcock? Habt Ihr sie jemals trainiert?“
Er schüttelte den Kopf. „Sie ist nicht von meinen Studenten.“ Der Kessel auf dem Ofen knackte, während sich das Wasser erwärmte. „Du bittest also um Schwert.“
Jetzt war ich an der Reihe, mit den Schultern zu zucken und den Blick auf den Tresen zu richten. Mit der Fingerspitze zeichnete ich wahllos eine Glyphe auf die Kunststoffplatte. Meine Ringe sprühten Funken. Die Glyphe entfaltete sich, veränderte sich, wurde… zu den dornenbesetzten, fließenden Linien der Narbe auf meiner Schulter. Zweimal fuhr ich sie nach und hob dann den Kopf, um seinem ruhigen Blick zu begegnen.
„Du hast dich entschieden zu leben.“ Jado lehnte gegen den Tresen. Einen Moment lang wirkten seine Augen, als läge eine schwarze Maske über ihnen – vielleicht ein Streich, den die Schatten meiner Wahrnehmung spielten. Er blinzelte und klappte dabei die Lider auf und zu wie eine Eidechse. „Obwohl du noch immer nach Trauer riechst, Danyo- chan. Großer Trauer.“
Er kommt nicht wieder. Vielleicht sollte ich meine Trauer zulassen, anstatt sie dauernd zu bekämpfen. „Mir ist nie in den Sinn gekommen, nicht weiterzuleben“, log ich. „Hört mal, Jado, es geht um Rigger Hall. Und ich glaube, dass ich ein Schwert brauche. Meine Hand wird nicht kräftiger werden, wenn ich sie nicht trainiere.“
„Christabel.“ Durch seinen Akzent klang es wie Ku-ris-ta-be-ru. „Sie war Todwandler. Wie du.“
Da es von uns in der ganzen Stadt nur vier gegeben hatte, war es nicht verwunderlich, dass er das wusste. Ich sah auf meine linke Hand; sie war schmal, goldfarben und anmutig. Seine dagegen war braun und breit, kraftvoll, mit hervortretenden Sehnen. „Ich glaube nicht, dass sie deshalb gestorben ist.“
Ein leichtes Nicken. „Also hast du bereits Theorie.“
„Nein. Nicht mal ansatzweise. Ich habe einen toten Normalo, eine tote Sexhexe und eine tote Nekromantin, die eine kurze Notiz über Rigger Hall zurückgelassen hat. Das ist alles.“ Ich glaube, wir könnten es mit Ritualmorden zu tun haben, aber ich bin mir nicht sicher. Und so lange das so bleibt, wird keiner von mir eine Theorie zu hören bekommen.
„Und das bedeutet, du brauchst Schwert?“ Er zog eine Augenbraue hoch. Der Kessel pfiff, und Jado goss das Wasser in die Schalen. Ich sah zu, wie er mit flinken, geübten Fingern das feine grüne Pulver zu schaumigem, bitterem Tee verrührte. Dann hielt er mir die Schale mit beiden Händen hin. Mit einer kleinen Verbeugung nahm ich sie entgegen, ebenfalls mit beiden Händen. Unter meinen Fingern spürte ich die schwarze Glasur der Raku -Töpferei. Die Schale erinnerte noch immer an das Feuer, in dem sie gehärtet worden war. Den Widerhall der Flammen schmeckte ich selbst noch in dem kräftigen, klaren und herben Aroma des Tees.
Wir sind Kreaturen des Feuers. Die Stimme von Tierce Japhrimel durchzog meine Erinnerung, langsam und seidig. Während des Kampfes war ich zu beschäftigt damit gewesen, Jado davon abzuhalten, mich mit dem Langstab zu vermöbeln, aber nun schlich sich der Gedanke an Japh zurück in meinen Kopf. Ich hatte es tatsächlich geschafft, eine volle halbe Stunde, fast fünfundvierzig Minuten lang nicht zu leiden! Ruft die Holovids, stoppt die Pressen, mietet Werbeflächen – das waren Schlagzeilen!
Nein. Ich hatte nicht aufgehört, an ihn zu denken. Der Gedanke an ihn war allgegenwärtig. Doch Japhrimel war wirklich, wahrhaftig, unweigerlich und für immer fort.
„Ich vermisse ihn“, rutschte es mir heraus. Nun, da ich wusste, dass er nicht im Reich des Todes war, konnte ich es zugeben. Vielleicht. „Ist das nicht seltsam?“
Jado zuckte mit den Schultern und schlürfte seinen Tee. Seine schräg geschnittenen schwarzen Augen waren halb geschlossen, und beide waren wir auf seltsame Art und Weise zufrieden. „Du hast dich verändert, Danyo- chan. Früher, ich traf dich, und ich sah so viel Groll. Wo ist Groll hin?“
Jetzt zuckte ich mit den Schultern. „Keine Ahnung.“ Die Wut ist nicht weg, Jado. Ich bin nur mittlerweile wesentlich besser darin, sie zu verbergen. „Ich habe nachgeforscht und mich über Dämonen schlaugemacht. Und über A’nankimel. Jedenfalls zwischen meinen
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