Dante Valentine 02 - Hoellenritt
die alten Bücher über Dämonen, die ich ausgegraben hatte, nur vage anspielten. Hier, in diesem Haus, war ich einfach nur eine Schülerin.
Hier wurde ich um meiner selbst willen geschätzt. Meine Geschicklichkeit, meine Tapferkeit, meine Ehre, mein Eifer, alles zu lernen, was er mir beibringen konnte.
„Dieses hier.“ Jado hob ein längeres Katana heraus. Es steckte in einer schwarz lackierten und verstärkten Scheide, die Jado womöglich eigenhändig angefertigt hatte. Das Heft war hervorragend gearbeitet, und ich bemerkte, dass es von einem sanften Schimmer umgeben war. Ich ertappte mich dabei, wie ich die Luft anhielt.
Als ich das erste Mal nach Santinos Tod wieder den Dojo betreten hatte, hatte mir das Herz bis zum Hals geschlagen. Meine Handflächen waren zwar nicht feucht gewesen, doch meine Rechte hatte sich schmerzhaft verkrampft. Jado war gerade dabei gewesen, eine Gruppe reicher Teenager in Tai-Chi zu unterrichten – im Rahmen des Bundesgesundheitsprogramms. Ich hatte mich respektvoll im Hintergrund gehalten, bis die Stunde um und die Kids gegangen waren. Anschließend war er über die Tatamimatten gestakst, hatte wortlos meine Hand genommen und sie vorsichtig untersucht. Ich ließ ihn, obwohl ich es sonst nicht ertragen konnte, wenn irgendjemand mich berührte – ich schreckte sogar schon dann zurück, wenn Jace im Rausch auf der Couch zusammensackte und mich auch nur aus Versehen streifte.
Dann hatte Jado etwas gebrummt. Noch kein Schwert. Langstab. Komm. Augenblicklich war die Nervosität von mir abgefallen wie ein alter Mantel, einfach so. Eine Stunde später hatte ich mich nach einem harten Training schwitzend und zitternd zum Trinkbrunnen geschleppt. Inzwischen gehörte entschieden mehr dazu, mich zum Schwitzen zu bringen, aber er hatte es trotzdem geschafft.
Niemand sonst gab mir so intensiv das Gefühl, wieder ein Kind zu sein. So wie Lewis der Vater meiner Kindheit war, war Jado der Vater der Erwachsenen, die ich nun war. Ich hoffte, dass die beiden stolz auf mich sein konnten.
Jado setzte sich im Schneidersitz mir gegenüber. Er schnipste mit dem Daumen gegen das Heft und legte knapp zehn Zentimeter Stahl frei. Die Klinge war wunderschön, ein wenig länger und breiter als die meines alten Schwertes. Aus dem Inneren des Stahls drang Licht, das sich auf der Oberfläche wand. „Sehr alt. Aus irgendeinem Grund, Danyo- chan, erfreust du das sehr Alte. Dies…“ – mit einem Klicken schob er die Klinge wieder zurück – „… ist Fudoshin.“
Die Kerze, die zwischen uns stand, erwachte flackernd zum Leben, und ein wenig Rauch stieg auf, bevor sich die Flamme beruhigte. Ich tat so, als würde ich keine Notiz davon nehmen, und hielt meinen Blick starr auf die Waffe gerichtet, obwohl mich der kleine Trick zum Schmunzeln brachte.
Ich lehnte mich ein wenig nach vorn – eine Verbeugung, die eigentlich vor allem mit den Augen und mit nach oben gedrehten Handflächen ausgedrückt wurde – und erwiderte Jados Blick. „Wunderschön.“
Er nickte langsam, und auf seinem kahlen Kopf spiegelte sich die Sonne. Im hellen Tageslicht wirkte die Kerzenflamme schwach und fahl. „Du erfreust mein Herz, Danyo- chan. Fudoshin ist schon sehr lange Zeit bei mir. Es ist sehr alt und sehr große Ehre. Aber ich sage dir, es ist nicht besonders gut, dieses Schwert zu geben.“
Die Zeit verstrich, während die übrigen Klingen in ihren Scheiden ihr langsames, metallenes Lied sangen. Jado atmete ein und aus, und abgesehen von einigen orangefarbenen Tupfen waren seine Augen dunkel, der Ausdruck darin war starr und gleichzeitig sanft, als erinnerte er sich an etwas, das bereits sehr weit zurücklag.
Mir war schon immer klar gewesen, dass Jado kein Mensch war, aber trotzdem hatte ich mich nie vor ihm gefürchtet, bis ich ihm zum ersten Mal in diesem Zimmer gegenübergesessen hatte. Seine Ruhe war vollkommen, nicht wie das Dösen eines Menschen, sondern eine Trance, die so tief war, dass sie schon wieder Wachsamkeit ausstrahlte. Nun, da ich ebenfalls kein Mensch mehr war, stellte ich fest, dass ich seine aufmerksame Stille genießen konnte, als wären wir zwei Spiegel, die sich in alle Ewigkeit reflektieren.
Schließlich holte Jado tief Luft, als sei er am Ende eines langen Selbstgesprächs angelangt. „Fudo Myoo ist der große Schwertkämpfer. Er durchbricht die Ketten des Leids, lebt im Herzen jedes Schwertkämpfers. Fudoshin ist gefährliche, sehr mächtige Waffe. Es muss mit Würde geführt werden, aber,
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