Dante Valentine 02 - Hoellenritt
Aufträgen als Kopfgeldjägerin.“ Mein Mund verzog sich zu einem grimmigen Lächeln. Ich starrte in meinen Tee. „Er hat mir nie wirklich erklärt, was mit mir geschehen ist oder welchen Preis er dafür zahlen musste. Ich habe noch immer keine rechte Vorstellung davon – es ist so schwierig, in all den alten Büchern zwischen Realität und Mythos zu unterscheiden. Und Dämonen macht es anscheinend einen Heidenspaß, falsche Fährten zu legen.“ Plötzlich wurde mir bewusst, worüber ich da eigentlich redete, und ich sah hoch. Jado blickte aus dem Fenster, als würde er dort draußen etwas unglaublich Faszinierendes sehen.
Ich seufzte. „Früher musste ich andauernd ums Überleben kämpfen, das Darlehen irgendwie abbezahlen, mich inmitten eines reißenden Flusses von einem Fels zum nächsten retten. Jetzt habe ich das andere Ufer erreicht, und wisst Ihr was? Ich wünschte, ich wäre wieder mittendrin. Solange ich mich abstrampeln musste, hatte ich wenigstens nicht so viel Zeit zum Grübeln.“
Jado gab einen leisen Laut von sich, der weder zustimmend noch ablehnend klang, mit dem er lediglich zu verstehen gab, dass er zuhörte. Dann löste sich der Blick seiner dunklen Augen von dem Fenster und wandte sich mir zu. „Vielleicht wäre das Beste, wenn du nicht Vergangenheit verfolgst, Danyo- chan.“
Erinnere dich an Rigger Hall. „Mache ich auch nicht. Es ist die Vergangenheit, die mich verfolgt. Jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als rauszufinden, was Christabel in Rigger Hall gemacht hat und welche Verbindung zwischen den drei Opfern besteht.“
„Warum?“ Wie nicht anders zu erwarten, nahm er den Themenwechsel anstandslos hin. Wenn mich jemand kannte, dann Jado. Schon vor Rio hatte er mich nie anders behandelt als seine übrigen Schüler.
Wie hatte es ein alter Mann, der selbst kein Mensch war, nur geschafft, dass ich mich so durch und durch menschlich gefühlt hatte? „In der Stadt gibt es jetzt nur noch drei Nekromanten. Gabe, John Fairlane und mich. Wir können es uns nicht leisten, noch jemanden zu verlieren.“ Galliger Humor schwang in meiner Stimme mit wie ätzende Säure auf einer Glasscheibe.
Jado lachte wiehernd, als wolle er Dampf durch die Nase ausstoßen. „Komm, trink deinen Tee. Wir finden Schwert für dich. Ich denke, ich weiß, welches.“
Das Zimmer am Ende der Treppe war noch genau so, wie ich es in Erinnerung hatte. In den letzten Sonnenstrahlen, die durch die Fenster auf den polierten Holzboden fielen, bildeten Staubkörnchen verschlungene Muster. Die Tür war entfernt und durch einen bernsteinfarbenen, seidenen Vorhang ersetzt worden, der in der Stille flatterte.
In den schwarzen Halterungen an der Wand ruhten die Schwerter und summten in ihren Scheiden vor sich hin. Ich blickte hinab auf die Stelle, wo mein eigenes gehangen hatte. Insgesamt gab es vier freie Plätze, was bedeutete, dass Jado vier Schüler in die Welt entlassen hatte. Ich fragte mich, ob vielleicht sonst noch jemand sein Schwert im Herzen eines Dämons zerbrochen hatte.
Der Gedanke daran beschämte mich. Jado gab seine Schwerter nicht einfach irgendjemandem, und ich hatte meines zerstört. „Sensei“, flüsterte ich, „ist das wirklich richtig?“
Er lachte, und in dem kahlen Raum klang sein Lachen ein wenig brüchig. Mitten auf dem Boden lagen zwei Tatamimatten. Er bedeutete mir, mich zu setzen, und ich gehorchte. Zwischen den Matten, ein wenig zur Linken, stand ein schlichter Porzellankerzenhalter mit einer weißen Kerze. „Nun, auch Schwerter kommen und gehen. Du hast Fliegende Seide gut genutzt. Doch nun, etwas anderes.“ Er ging vor den Schwertern, die leicht hin- und herschwangen, auf und ab. Seine lange orangefarbene Robe raschelte, und aus der Ferne drang das Klappern und Jaulen des Gleiterverkehrs an mein Ohr. Irgendwie beruhigend.
Ich machte es mir im Schneidersitz bequem. Hier herrschte Ruhe, selbst der Staub wirkte entspannt. Ich atmete tief ein, roch Jados feuriges Aroma und wünschte mir, wie so oft, dass ich bei ihm bleiben könnte. Aber das wäre blödsinnig – er war alt und brauchte seinen Freiraum, und meine Neurosen würden uns mit der Zeit möglicherweise dazu bringen, uns gegenseitig umzubringen. Trotzdem – immer, wenn ich über Jados Türschwelle trat, war ich nicht länger ein Psion, der von den Normalos gefürchtet, oder eine Nekromantin, die von ihrer Angst und einer verkrüppelten Hand gelähmt wurde. Ich war nicht einmal mehr eine Hedaira, etwas, worauf selbst
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