Dante Valentine 02 - Hoellenritt
durchdringenden Blick brachte ich ihn zum Schweigen.
„Lasst sie rein.“ Die Stimme schnitt durch den rhythmischen Lärm. Hinter mir brodelte die Tanzfläche, wo jetzt ein schnelleres Stück gespielt wurde, das die Psinergie heftig aufflammen ließ.
Nikolai, der führende Psinergieprimus von Saint City, hatte es sich auf einem antiken, mit rotem Samt überzogenen Sofa bequem gemacht. Vor ihm stand ein ebenfalls antiker Tisch, der einige Löcher hatte, die eindeutig von Einschüssen stammten. Nikolai war groß und breitschultrig und trug unauffällige schwarze Kleidung, die aussah, als sei sie aus Seide. Aber auch diese gewollte Schlichtheit konnte nicht verbergen, über welch ungeheure Psinergie er verfügte.
Hätte ich nicht mein ganzes Leben lang mit Psinergie zu tun gehabt, wäre ich schwer beeindruckt gewesen. So aber schob ich eine Hüfte vor, um einen besseren Stand zu haben, falls mich jemand angreifen sollte, sah ihm in die glänzenden, dunklen Katzenaugen und hielt die Einladung hoch.
Er hatte volle Lippen, hohe, schön geformte Wangenknochen und dichtes Haar, das ihm in die Augen fiel. Er hätte ein gut aussehender Mann sein können, wäre da nicht dieser leere Ausdruck in seinen Augen gewesen und die vollkommene, unmenschliche Ruhe, in die er getaucht war. Er trug eine weite Seidenhose, ein schwarzes Hemd, das vermutlich ebenfalls aus Seide war, teure Petrolo-Stiefel und nicht das kleinste Schmuckstück.
Neben ihm, die Ellbogen auf die Knie gestützt, saß ein weiblicher Nichtvren mit langem, lockigem, blond gesträhntem Haar und starrte mich aus dunkelblauen, wässerigen Augen an. Sie hatte nichts von Nikolais Unbewegtheit, im Gegenteil, ihre Fingernägel fuhren durch die Luft, ihre üppigen Lippen öffneten sich leicht und entblößten die Spitzen ihrer Fangzähne. Sie trug einen ausgefransten roten Pullover mit V-Ausschnitt und dunkle, abgetragene Jeans, abgelaufene und zerkratzte Kampfstiefel und an der rechten Hand ein breites silbernes Armband mit einem Tigerauge von der Größe einer kleinen Credit-Münze. Sie musterte mich von Kopf bis Fuß; dann lächelte sie, wenn auch nur andeutungsweise.
Wie schön, dass wenigstens eine ihren Spaß hat. Ich trat durch eine klebrige Psinergiebarriere, die sich hinter mir sofort wieder schloss, in die Nische. Im selben Moment wurde die Musik deutlich leiser, und ich seufzte unwillkürlich erleichtert auf.
Nikolai betrachtete mich schweigend. Es war, als würde mich ein wildes Tier ansehen, das sich noch nicht ganz entschieden hat, ob es mich fressen oder einfach nur mit seiner krallenbesetzten Pranke zerquetschen soll.
Ich nickte der Frau zu, weil mir klar war, dass der Weg zu Nikolais Wohlwollen über seine Gemahlin führte. Es hieß, sie sei das Einzige in der ganzen Stadt, das ihm etwas bedeutete. Es hieß außerdem, dass er schon durchdrehte, wenn er nur vermutete, jemand hätte sie schlecht behandelt.
Ach, ist das nicht goldig? „Ich bin Danny Valentine, und ich bin dankbar, dass Sie bereit waren, mich zu empfangen, Madam, Sir.“
Jeder, der mich kannte, hätte erwartet, dass das sarkastisch klingen würde. Ich war selbst überrascht, dass es das nicht tat.
Nikolai hatte sich immer noch nicht gerührt. Der weibliche Nichtvren lachte. Bei dem unerwartet tiefen, rauen Geräusch stellten sich mir die Nackenhaare auf. Ihre dunkelblauen Augen blitzten. Sie war eine Schönheit, und mir drang der Hauch eines seltsamen Geruchs in die Nase – Moschus, der den modrigen Geruch karamellisierter dunkler Schokolade überdeckte, den Nichtvren normalerweise verströmen und der mich an Sexhexen erinnerte. „Hallo“, sagte sie. „Setzen Sie sich doch. Nik hat gerade eine seiner Launen. Nach Ihnen müssen wir eine Werwolfdelegation empfangen, und das ist ihm zuwider. Möchten Sie etwas trinken?“ Ihr Akzent war altmerikanisch, die Vokale leicht verschliffen wie ungefähr zu der Zeit, als das Parapsychogesetz beschlossen wurde, vor der großen linguistischen Verschmelzung durch den Siebzigtagekrieg. Also war auch sie alt.
Aber nicht annähernd so alt wie er.
Dem Alkohol, den es hier gibt, traue ich nicht, Gnädigste. Ich schüttelte den Kopf und ließ meinen Umhang zu Boden fallen, eine Geste, die zeigte, dass ich außer den üblichen Waffen nichts bei mir trug. Ich setzte mich links von ihnen auf das Sofa und wünschte mir, ich könnte mir das Schwert quer über den Schoß legen. Stahl zwischen mir und den beiden wäre eindeutig besser als bloße
Weitere Kostenlose Bücher