Dante Valentine 04 - Suendenpfuhl
chemisch aufgemotzter Stoßtruppen der Mafia gegenübersähe. Und der ganze Aufwand für eine müde Beinahe-Dämonin!
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Den letzten Streifenwagen konnte ich schließlich abhängen, indem ich im Bereich der alten Bowery im Tank District untertauchte. Hier kann man fast alles finden, wenn auch nicht ganz so viel wie im Großen Suk oder in den Freistädten. Die Einwohner des Tank sind der Polizei nicht sehr freundlich gesonnen. Hier kann man sich wirklich gut verstecken, wie sowohl Abracadabra als auch Anwen Carlyle sehr wohl bekannt war.
Die Bowery ist der schlimmste Teil, das krebszerfressene Herz der städtischen, durch Chill noch beschleunigten Verwahrlosung. Tank ja, Bowery nein. Nur in allerhöchster Verzweiflung.
Zwei der Streifenwagen hatten sich ineinander verkeilt, als sie mich durch das Labyrinth verfolgt harten, das früher einmal der National District gewesen war. Ein weiteres Mal hatte ich Glück, als der dritte Wagen eine Spur für den Slicboard-Verkehr falsch einschätzte und eine Slic-Kurierin ihm vor die Stoßstange raste. Um einen Zusammenprall zu vermeiden, legte die KI-Navigation des Streifenwagens eine Vollbremsung hin. Die Polizeiwagen der Hegemonie waren alle mit so einer Kontrolle ausgestattet, um Verfolgungsjagden für Zivilisten weniger gefährlich zu machen. Die Kurierin würde einen Strafzettel verpasst bekommen, aber sie stand immer noch auf ihrem Board, anstatt über den ganzen Gehsteig verteilt zu sein. Und ich war längst weg.
Den letzten Streifenwagen hängte ich, wie gesagt, am „Loch“ ab.
In meiner Zeit als richtiger Mensch hatte ich mir mein Board von Konnie Bazileus bei Heaven’s Arms frisieren lassen. Gelegentlich war ich im Loch aufgetaucht, um meinen Fälligkeiten im Rennen gegen die Sk8er, Kuriere, Ska-Freaks und Düsen-Surfer den letzten Feinschliff zu geben. Jace und ich hatten uns sogar Slicboard-Duelle mit offener Klinge geliefert, seinerzeit im ersten heftigen Hochgefühl unserer Liebesbeziehung.
Nicht einmal Bundes-Marshals der Hegemonie wagen sich oft ins Loch. Es ist das Risiko nicht wert.
Das Loch selbst befindet sich unter der Erde. Früher diente es als Transportschacht, allerdings nur bis zum letzten, richtig heftigen Erdbeben. Damals wurde der Zentralschacht zerfetzt, wodurch darunter ein Trichterloch freigelegt wurde, und jetzt waren die Schächte eine Collage aus Relais, fünfundachtzig Jahre alten faseroptischen Stiften und reaktiven Streifen, alles Schutt aus den Gebäuden darüber, und fielen langsam ins Trichterloch. Die Slicboard-Cliquen waren eingezogen, hatten das Ganze zu einer noch größeren Herausforderung ausgebaut und Rampen und Absprünge angelegt. Aus den Wänden, toten Winkeln und Gleiterbrocken ragten spitze Stifte, die für unruhige Luftwirbel sorgten und auf nichts anderes aus waren, als Sk8er von ihren Brettern zu reißen.
Die verschlungenen Wege, die zum Loch führten, waren schmal und stark abfallend. Die meisten waren bedeckt von zusammengeschusterten Dächern aus windigem Plasholz, Plastizin und anderen erbeuteten Materialien. Immer mal wieder fegten ein paar Teams hegemonialer Bundes-Marshals durch das Loch, um einige „Kriminelle“ dingfest zu machen, aber ihre Ausbeute war stets eher mager. Wenn man sich nicht an die strengen Verhaltensmaßregeln der Slicboard-Cliquen hielt, war man schnell wieder draußen. Es war ein Klacks, jemanden von seinem Brett zu stoßen und in den dunklen Schacht des Lochs plumpsen zu lassen. Das Schlimmste, was hier passieren konnte, waren Bandenkriege oder XTC-Exzesse bei Insider-Partys, und darum kümmerte sich die Polizei nicht groß, solange sich die Slicboarder nur gegenseitig umbrachten.
Wie ein Geist schlich ich durch den alten Zugang in das Loch. Die letzte Schusswunde schloss sich gerade, meine Schulter brannte. Der letzte Mafiatrupp hatte mich wahrhaftig gezwungen, mich zu stellen und unter einem Kugelhagel den Kampf aufzunehmen. Wäre ich noch rein menschlich gewesen, wäre ich längst tot.
So ganz sicher war ich mir jetzt auch nicht, dass ich noch lebte. Meine Kleidung war zerfetzt und nass vor Blut, in meinem Magen tobte der Hunger, und ich spürte noch, wie das Genick des letzten Mannes in meinen Händen wie ein Plasilica-Stäbchen brach. Nur ein Normalo.
Psione hatten sie keine hinter mir hergejagt. Lediglich Normalos. Zerbrechliche, verletzliche Menschen, auch wenn sie mit legalen Mitteln wie Neurobeschleunigern und Muskelaufbaupräparaten hochgezüchtet waren.
Die
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