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Darf ich meine Oma selbst verbrennen?

Darf ich meine Oma selbst verbrennen?

Titel: Darf ich meine Oma selbst verbrennen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wilhelm
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geschüttet wird oder ob sie im Wald unter einem Baum vergraben wird, das alles spielt letztlich keine Rolle.
    Es ist auch egal, ob viele oder wenige Leute dabei sind, ob es Blumen gibt, ob Musik gespielt wird und ob der Sarg nun aus billigem Nadelholz oder hochglanzpoliertem Mahagoni besteht.
    All das spielt überhaupt keine Rolle, wenn die Art und Weise, wie eine Bestattung durchgeführt wird, in etwa das widerspiegelt, was sich der Verstorbene gewünscht hat bzw. hätte, und dem Genüge tut, was die Angehörigen benötigen, um die Zeremonie als würdevoll und angemessen zu empfinden.
    Das bedeutet: Wenn sich Familien bewusst für etwas ganz Einfaches entscheiden, hat man das – auch als Bestatter – zu akzeptieren. Es gibt so viele Spielarten von Trauerbewältigung, da steht es Außenstehenden nicht zu, zu bewerten, was richtig oder falsch ist. Was bei den Leuten ein gutes Gefühl im Herzen hinterlässt, das ist genau das Richtige.
    Was dem einen als unwürdige Schnellentsorgung vorkommt, ist für den anderen absolut perfekt. Was der eine als »schöne Leich’« empfindet, also eine große, pompöse und oft auch teure Bestattung, das empfindet der andere als absolut übertriebene Verschwendung. Nochmals meine Oma: »Der eine trinkt gerne Kaffee, der andere lieber Tee.«
    Nun gibt es aber Fälle, bei denen ganz andere Hintergründe vorhanden sind. Sei es, dass man auf diese Weise dem Verstorbenen noch mal eins auswischen will, sei es, dass die eigenen finanziellen Mittel nicht ausreichen, oder sei es, dass sich die Familie über die Art der Bestattung uneins ist. Außerdem gibt es noch die Fälle, in denen Billigbestatter den Leuten schlicht und ergreifend Schrott als Leistung verkaufen.
    Ich will das anhand von ganz aktuellen Fällen schildern, die mir berichtet worden sind.
    Erster Fall
    Der Verstorbene war ein Despot, ein Familientyrann, und hat Frau und Kinder psychisch und physisch zeitlebens unter Druck gesetzt. Für seine Beerdigung hatte er immer mal wieder hochtrabende Wünsche geäußert. Vom großen Chor bis hin zum einstündigen Requiem in der Domkirche und schwarzen Pferden vor einer historischen Leichenkutsche war alles dabei.
    Überdies hatte er angeordnet, seine Frau und seine Kinder müssten – was überhaupt nicht mehr zeitgemäß ist, zumindest in den meisten Teilen Deutschlands – ein ganzes Jahr in Schwarz gehen und in diesem Jahr dürfe es in der Familie keine Geburtstags- oder Weihnachtsfeiern geben. Außerdem dürfe seine Frau nicht wieder heiraten (was sie eh nicht vor hat, sie hat die Nase voll), und es dürfe im Trauerjahr weder ferngesehen noch getauft, gezeugt oder in Urlaub gefahren werden.
    Was hat er bekommen?
    Die Tochter fragte im Namen der Witwe und der anderen Geschwister an, was ich dazu meine, wenn sie dem Vater einen anständigen, schnörkellosen Schlichtsarg kaufen, ihn auf dem Friedhof in einem Reihengrab mit kompletter Steinabdeckung beisetzen lassen und außer einer einfachen Trauerfeier gar nichts machen.
    Jetzt muss man als Bestatter natürlich gut aufpassen. Es kommt nämlich, wie mir die hier mitlesenden Bestatter bestätigen können, gar nicht so selten vor, dass sich der Verstorbene urplötzlich in einen »ganz einfachen und schlichten Menschen« verwandelt, »der so was alles gar nicht haben wollte«, wenn die Angehörigen merken, dass da ein kleines Stück vom Erbe flötengeht, falls sie dem Verstorbenen seine letzten Wünsche erfüllen. Ich habe es selbst erlebt, dass ältere Menschen bei mir waren und sich nur mal erkundigen wollten. Sie haben dann im Gespräch genau gesagt, wie sie sich ihre Bestattung dereinst vorstellen. So einen dicken Sarg, wie ihn der Opa hatte, ganz viele Blumen und eine schöne große Anzeige, damit auch alle Freunde kommen können; und natürlich einen ausgiebigen Leichenschmaus. Das Geld habe man schon seit Jahren genau für diesen Zweck zurückgelegt, und ansonsten sei ja für die Erben noch genug da.
    Wenige Wochen später steht dann eine Tochter mit strichschmal zusammengepressten Lippen vor mir und erklärt, dieser Mensch habe ja unbedingt gewünscht, im einfachsten Verbrennersarg sofort ohne Feier eingeäschert und dann anonym beigesetzt zu werden. »Eine Überurne? Nein, die brauchen wir nicht, das wären ja achtundsechzig Euro zusätzlich, meine Mutter war eine ganz bescheidene Frau.«
    Mutti hätte achttausend Euro hingelegt, weil sie sich ein schönes Grab mit Stein gewünscht hätte. Die Tochter zahlt dann

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