Darfs einer mehr sein
untereinander beziehungsweise in diesem speziellen Fall die Bindung des Zweithundes an den ersten so stark ist? Ist es nicht einfach nur schön, wenn beide sich so gut verstehen, so gern miteinander spielen und ganz offensichtlich froh sind, sich zu haben? Natürlich ist es schön und das erklärte Ziel, dass alle Vierbeiner, die unter einem Dach leben, diese Situation als bereichernd empfinden. Und ja, bis zu einem gewissen Grad finden wir es positiv, dass sie sich gegenseitig etwas geben können, was sie von Zweibeinern nicht bekommen. Der entscheidende Punkt liegt für uns darin, dass bei aller Liebe unter den Hunden die individuelle Beziehung jedes Einzelnen zum Menschen am wichtigsten bleibt.
Der bekannte englische Hundetrainer John Rogerson sagt, dass die meisten Hunde, deren Besitzer ihn wegen Aggressionsproblemen um Rat fragen, jeweils zweite Hunde in einem Mehrhundehaushalt sind. Und damit sind wir bei den Problemen, die das Zweiterhund-Syndrom mit sich bringen kann. Viele Zweiterhund-Syndrom-Hunde entwickeln bei Begegnungen und im direkten Kontakt mit Menschen ein Problem, das unter Umständen in aggressivem Verhalten enden kann. Wenn Sozialisation und Umweltgewöhnung überwiegend in Gegenwart des Ersthundes passiert sind, hat der zweite Hund meist nur gelernt, mit Menschen und verschiedenen Alltagssituationen klarzukommen, wenn sein großer Kumpel dabei ist. Dadurch, dass er sich mehr für andere Hunde als für Menschen interessiert, kommt es oft weder bei Spaziergängen noch bei Besuch zu Hause zu genügend positiven Kontaktaufnahmen mit Menschen. Der Ersthund wird bei Begegnungen sozusagen vorgeschickt, der Zweithund bleibt, was das Begrüßen von Menschen angeht, im Hintergrund und damit inkompetent. Ist er schon von Anfang an eher ängstlich oder menschenscheu, werden diese Schwächen leicht kultiviert, da ja der Ersthund eine breite Schulter zum Anlehnen bietet. Ist ein Zweiterhund-Syndrom-Hund dann plötzlich allein unterwegs, kann er unter Umständen völlig zusammenbrechen. Besonders brisant wird es, wenn der Ersthund selbst schon Aggressionsprobleme oder Angst vor Menschen hat, da diese in einer Zweiterhund-Syndrom-Beziehung fast unweigerlich vom Junghund übernommen werden.
Eine typische Gefahr besteht außerdem darin, dass der Zweithund nicht mit anderen Vierbeinern klarkommt. Wenn ein Welpe mit einem älteren Hund aufwächst und diese viel miteinander spielen, wird das Spiel meist im Lauf der Zeit immer heftiger. Der junge Hund wird älter und größer, der erwachsene Hund dabei systematisch gegen grobes Spielen desensibilisiert. Es entsteht eine Spielkultur, die im besten Fall zwischen diesen beiden Vierbeinern funktioniert. Versucht der Junghund, mit einem anderen Hund auf die gleiche Art zu spielen, kann er leicht gewaltigen Ärger bekommen, und das (Aggressions-)Problem nimmt seinen Lauf. Genauso gut kann es passieren, dass es dem Ersthund irgendwann reicht und er so genervt ist, dass er überreagiert.
Innerfamiliäre Spielgewohnheiten können beim Zusammentreffen mit Artgenossen leicht zu Missverständnissen führen.
Im Fall von zwei Wurfgeschwistern oder anderen gleich alten Welpen, die miteinander aufwachsen, entsteht oft eine bestimmte Rollenteilung: Einer von beiden übernimmt den Part eines aufgeschlossenen, der andere den eines zurückhaltenden Hundes. Manchmal lässt sich dieses Verhalten gar nicht eindeutig erkennen, solange beide zusammen sind; offensichtlich wird es dann, wenn beide einzeln unterwegs sind.
BeimZweiterhund-Syndrom ist die Beziehung zwischen den Hunden sehr stark und die Bindung an die einzelnen Menschen bleibt schwach.
Eine weitere Schwierigkeit ist für den Zweithund meist das Alleinbleiben ohne den ersten. Die Anwesenheit des großen Kumpels erleichtert natürlich das Üben des Alleinbleibens ohne Menschen, denn ein Zweiterhund-Syndrom-Hund findet ja sowieso den anderen Vierbeiner wichtiger. Dass auch der neue Hund ganz ohne Gesellschaft zu Hause bleibt, muss umso intensiver extra geübt werden, was leicht in Vergessenheit gerät.
Kommt ein weiterer Hund dazu, darf man nicht vergessen, auch mit diesem das Alleinbleiben ohne seinen vierbeinigen Kumpel zu üben.
Erregung und Stimmungsübertragung
Stimmungsübertragung spielt für Wölfe eine entscheidende Rolle, denn darüber werden sinnvolle Emotionen in der Gruppe gesteuert. Mit der Domestikation haben Hunde die Fähigkeit, Stimmungen sofort aufzunehmen, nicht etwa verloren, sondern sogar noch um
Weitere Kostenlose Bücher