Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
Schatten hängt. Ich sehe den Schwarzen am Koppelzaun stehen und Grannys Haus im Rückspiegel, die Holzschindeln, die Veranda, die Diego die letzten Tage nicht mehr verlassen hatte, immer mit suchendem Blick Richtung Straße. Ich wusste, worauf er wartete. Auf wen.
»Sie kommen nicht zurück«, hatte ich gesagt und meine Hand auf seine gelegt. Diego hatte genickt und trotzdem hatte er seinen Platz nicht verlassen.
»Es ist das erste Mal, dass die Wölfe ihr Wort brechen«, seine Stimme war rau gewesen, rau und zornig, »ich hätte von Chakal mehr erwartet.«
Ich hätte von Miley mehr erwartet. Auch ich war die letzten Tage von Fenster zu Fenster geirrt, immer in der Hoffnung, ich würde plötzlich seine vertraute Gestalt vor mir sehen. Wie konnte er mich verlassen, jetzt, da wir nur noch die Zeit verstreichen lassen konnten, weil wir alles getan hatten, es keine Möglichkeit mehr gab, uns vorzubereiten, und die Angst größer und größer wurde. Miley würde nicht zurückkommen. Dieser Gedanke bohrte sich in mein Herz, und als ob er es gespürt hätte, nahm Diego meine Hände nun behutsam in die seinen. Wir schwiegen und sahen zu, wie sich der Abend über das Land breitete und die nächste Nacht auf Whistling Wing zukroch.
Wir haben keine Eile. Vorne an der Straße biege ich links ab, das Mondlicht spiegelt sich in den Glasfenstern der alten Gärtnerei, verursacht Lichtreflexe und Sinnestäuschungen. Steht da die Comtesse, mitten in einem der Gewächshäuser? Hat sie ihre Waffen niedergelegt?
»Kannst du dir vorstellen, wie es war, damals bei Vincenta und Victoria?«
Ich sehe Indie nicht an, sondern tu so, als wäre ich auf die Straße konzentriert.
»Sie sind bestimmt zum Friedhof hinausgeritten.« Indies Stimme ist leise und ihr Klang beunruhigt mich. »Sie haben ihre Pferde gesattelt und dann hat sich Vincenta den Revolver in das Schulterholster gesteckt, als Victoria gerade nicht hinsah.«
»Du weißt, was Kat gesagt hat. Es ist nicht so wie damals. Die Problematik an den Toren hat sich verändert.« Ich sage das ungeduldiger, als mir eigentlich zumute ist. Victoria und Vincenta hatten ein komplett anderes Problem als wir. Victoria wollte ihren Geliebten retten. Ich habe keinen Geliebten. Jetzt geht es nur noch um Indie. »Wir haben alles im Griff.«
»Das hat Victoria bestimmt auch gesagt«, flüstert Indie. »Sie sind auf ihre Pferde gestiegen, Victoria zerrissen, weil die Dunklen ihren Liebsten hatten. Vincenta ruhig und genau wissend, was sie machen würde.«
Das Wegekreuz zieht an uns vorbei, ich fühle mich seltsam aufgedreht und gleichzeitig erschöpft. In Wellen schwappt Adrenalin durch meinen Körper.
»Was redest du da?« Ich lenke den Navara an den Straßenrand und schalte kurz entschlossen den Motor aus. Vor uns leuchten in der Ferne die ersten Lichter von New Corbie. Sie sehen aus wie Schiffe, die über ein dunkles Meer treiben.
»In wenigen Stunden ist mein 18. Geburtstag. Wir wissen, was passieren wird. Wir werden das Tor öffnen und er wird meine Seele wollen. Er wird einfach danach greifen und ich werde mich nicht wehren können, genauso wie damals …«
»Wir werden ihn vernichten.«
»Ich habe die Wunde. Manchmal denke ich, es wäre alles anders gekommen, wenn mich die Vögel nicht angegriffen hätten, wenn sie mich nicht verletzt hätten.« Indies Hand wandert zu ihrem Bauch. »Warum war uns so lange nicht klar, dass er durch die Wunde meine Seele nimmt und dass der Vogel, der mich angegriffen hat, gar nicht wollte, dass ich sterbe? Er wollte alles nur vorbereiten. Verdammte Kacke.«
»Es hätte nichts geändert.« Gespürt hatten wir doch die ganze Zeit, dass mit der Wunde etwas nicht stimmte. »Ich werde dafür sorgen, dass er dir nichts tun kann.«
Ich beuge mich zu Indie und wir umarmen uns. Weint sie? Ich spüre ihr Schulterholster an meinem Oberkörper und den Verschluss davon unter meinen Händen.
»Du bist so stark. Gemeinsam sind wir stark.«
»Ich weiß nicht, ob ich stark genug bin.«
»Versprich mir, dass du nichts tust …«
»Was?«
»Dass du nichts tust, was wir nicht abgesprochen haben.« Ich presse sie an mich, so fest, dass uns beiden fast die Luft wegbleibt. Ich weiß, was Indie denkt. Es wird immer eine letzte Lösung geben. Ohne Indies Seele wird Azrael keine Macht erlangen können. Auch wenn sich vieles geändert hat, dies ist unumstößlich.
»Glaubst du, Victoria und Vincenta hatten auch Angst?«
»Sie sind losgeritten«, flüstere ich, »es war
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