Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
Haus zu gehen. Diego und Dusk? Fröstelnd, obwohl es nicht kalt ist, schlinge ich meine Arme um mich, wende mich vom Fenster ab. Wo bleibt Dawna?
Ich gehe hinaus auf den Flur, den Gang entlang bis vor Kats Zimmer. Die Tür ist nur angelehnt, weil Sidney alle Stunde einmal nach Kat sehen will. Leises Stimmengemurmel scheint aus dem Zimmer zu kommen, irritiert bleibe ich stehen, als ich Kats Stimme erkenne. Sie spricht fast atemlos und es dauert eine Weile, bis ich kapiere, dass sie telefoniert.
»Ich weiß es nicht. Das ist die Wahrheit«, erklärt sie und ich kann nicht sagen, ob sie nach Atem ringt oder ihrem Gesprächspartner zuhört.
»Sie ist tot.« Sie hustet trocken und fast meine ich, ihren viel zu schnellen Herzschlag auf meiner Haut zu spüren. »Nein. Es ist mir nicht gelungen, ihren Leichnam zu bergen.«
Bleierne Schwere füllt mich aus bis in die Zehenspitzen.
»Nein. Das wusste ich nicht«, antwortet sie schließlich und die Resignation in ihrer Stimme scheint noch größer zu werden. »Aber das spricht dafür, allem ein Ende zu bereiten.« Sie schweigt für einen Moment und fährt dann fort. »Natürlich maße ich mir das nicht an. Ich möchte nichts Falsches tun.«
Wieder Stille.
»Ich dachte, die neuesten Berechnungen würden zeigen, dass die Amplitude immer stärker wird…Aber das würde ja bedeuten…Nein. Natürlich verstehe ich das.«
Kat scheint keine Kraft mehr zu haben, für lange Zeit glaube ich, dass sie gar nicht mehr telefoniert.
»Ja«, sagt sie dann in zustimmendem Tonfall. »Das ist richtig. Es ist aussichtslos. Es ist absolut aussichtslos.«
Ich erstarre und eine Hitzewelle rast durch meinen Körper. Obwohl ich diesen Gedanken heute schon tausendmal gedacht und wieder verworfen habe, ihn aus dem Mund von Kat zu hören, ist wie ein Paukenschlag, der alle meine Energie vernichtet. Schnell drücke ich meine Hand auf den Mund, um kein Geräusch von mir zu geben. Es darf nicht sein. Wann ist die Gewissheit, dass wir unbesiegbar sind, gekippt?
Dann räuspert sie sich doch noch einmal.
»Ich erwarte Anweisungen, Mutter Oberin«, erwidert sie tonlos. »Das ist das Einzige, was ich erwarte.«
Dieser Wunsch scheint in Erfüllung zu gehen, denn wieder hört man eine ganze Zeit nur das Atmen des Hauses. Meine Augen füllen sich mit Tränen, denn nichts war für mich sicherer, als dass Kat auf meiner Seite steht. Aber so ist es nicht, sie wartet auf die Befehle des Ordens. Das Einzige, was zählt. Die Gehorsamkeit gegenüber dem Mutterkloster.
»Jawohl. Das habe ich verstanden«, bestätigt Kat die Weisung, die sie eben erhalten hat. Der kurze Abschiedsgruß schneidet in mein Herz.
»Bis zum Tode«, flüstert Kat.
Pico Torquino, Kuba, 29. Juli 2013
D ie Maschinengewehrsalven rattern in der Ferne, irgendwo explodiert eine Bombe, und die wassergesättigte Luft schmeckt nach Pulverrauch.
»Zurück! Alle zurück!«
»Go back! Pull back from the right …«
Es sind zu viele, denkt Dorrotya, während sie ebenfalls zu laufen beginnt. Jeder getötete Dunkle lässt zwei neue aus dem unendlichen Reich des Bösen aufsteigen. Sie sieht sich nach ihrer Schwester Haynalka um, dann entdeckt sie sie vor sich in den dichten Dschungel hineinlaufen, bergab, weg von dem Tor. Die Wurzeln sind so glitschig, dass Dorrotya ins Taumeln gerät und sich an einer Liane festhält. Eine andere Hüterin stolpert an sie dran, dann laufen sie beide weiter bergab, über den ockerfarbenen Boden, das unwegsame Gelände weg vom kubanischen Tor. Adrenalin scheint in der Luft zu liegen, noch ist es keine Panik, aber das Stakkato der gebrüllten Befehle zerrt an den Nerven aller. Vor ihr sieht sie Haynalka schwanken, bei jedem Schritt scheint sie auszurutschen und zu taumeln, nach wenigen Metern sucht sie schließlich hinter einem größeren Felsen Deckung. Schnell springt Dorrotya bergab über mehrere Felsen, lässt sich dann schwer atmend neben Haynalka fallen, während die andere Hüterin weiterläuft. Das Moos ist nass, die hohe Luftfeuchtigkeit nimmt einem fast den Atem.
»Aussichtslos«, keucht Dorrotya, während sie ihre Schwester am Arm packt. »Das Tor hätte schon vor Stunden geschlossen werden müssen, ich will gar nicht wissen …« Sie unterbricht sich selbst, als sie die graue Gesichtsfarbe ihrer Schwester sieht. »Was ist los?«
Haynalka antwortet nicht. Sie lehnt an dem Felsen, ihre Augen sind geschlossen. Ihr stehen Schweißtropfen auf der Stirn.
»Du bist verletzt«, sagt Dorrotya ruhig, als sie
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