Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
dunkel, aber sie hatten keine Angst. Hüterinnen fürchten sich nicht, hatte ihre eigene Großmutter immer gesagt, sie müssen sich nicht fürchten, denn das Licht ist in ihnen. Die Wölfe waren da. Sie waren überall. Ihre Augen leuchteten im Mondlicht.«
»So wie Diego und Dusk.«
»Sie verlassen uns nicht. Sie geben ihr Leben für uns. Diego wird alles, wirklich alles geben, um uns zu helfen. Dir zu helfen.«
»Wie ging es weiter?« Indies Kopf ruht schwer an meiner Schulter, und wenn ich die Augen schließe, sehe ich uns beide zusammen im Bett liegen. Das Licht der Tankstelle flimmert. War es in Welby? Oder in den Jahren davor? Wir hörten Mum weinen und hielten uns aneinander fest.
»Sie ritten über die Ebene, das Brachland, und überall wisperte und raschelte es. Federleichte Tritte, kein Winseln, kein Heulen. Die Wölfe formierten sich, um ihren Bruder zu retten. Vincenta und Victoria hielten sich an den Händen und Vincenta sagte: ›Du brauchst keine Angst zu haben.‹«
»Wird es gut werden?« Ich nicke.
»Am Friedhofstor haben sie die Pferde zurückgelassen, dann, bevor sie den Friedhof betraten, hielt Vincenta Victoria noch einmal zurück und sagte …«
»Ja?«
»Was immer passiert, ich werde mich an das erinnern, was vorher war. An unseren Ritt durch die Nacht. An die Luft, die lau und mild war, an den Atem der Wölfe, die unseren Weg säumten, und daran, dass deine Hand in meiner war. Versprich mir, dass du dich an die gleichen Dinge erinnern wirst.«
»Lass es hier enden«, wispert Indie, »es ist ein so schönes Ende.«
»Gut.«
Sie drückt sich von mir weg und wir sehen uns in die Augen, ich wünschte, dieser Moment könnte ewig dauern. Es ist still, kein Wind regt sich und der Mond wandert über uns.
Der weiße Jeep Cherokee hält genau neben uns und wir lassen die Fenster gleichzeitig hinuntergleiten. Im Cherokee läuft Alicia Keys, Girl on fire. Der Klang der Musik fühlt sich seltsam unwirklich an, etwas, das nicht zu den Dingen passt, die noch passieren werden.
»Ich will gar nicht wissen, wo ihr zu dieser Uhrzeit mit dem Navara von meiner Mum hinwollt.« Neben Beebee sitzen Vince und Rudy. Beebee sieht nicht aus, als wolle sie Ärger machen. Sie wirkt eher besorgt.
»Mädels«, fügt sie hinzu.
»Können wir etwas tun?« Rudy beugt sich nach vorne und versucht, einen Blick auf Indie zu erhaschen.
»Haltet euch vom Friedhof fern«, sage ich, »am besten, ihr packt ein paar Klamotten und macht euch ein schönes Wochenende in den Bergen.«
»Oder am Meer.«
»San Francisco soll toll sein.«
»Hauptsache weit weg.«
»Das ist nicht euer Ernst.« Beebee streicht sich das Haar zurück. Es ist nicht mehr in perfekte Wellen gelegt wie in der Zeit, in der ich sie letztes Jahr kennengelernt habe. »Also ich kenne wirklich niemanden, der so viel Scheiße anzieht wie ihr beiden.«
Wir schweigen und hören zu, wie sich Alicia Keys’ Stimme in die Höhe schraubt.
»Aber wenn ihr heute Nacht nicht draufgeht, könnten wir bestimmt noch ganz gute Freundinnen werden.«
Wir lächeln uns an.
»Wenn ihr heute Nacht nicht draufgeht, könnten wir mal was trinken gehen, Indie«, sagt Rudy.
»Klar. Ich komm dann in die Tanke und du gibst mir ’ne Coke aus.« Indies Stimme ist müde, als hätte sie die letzten Wochen nicht mehr geschlafen.
»Die Tanke ist zu.«
Warum überrascht mich das nicht?
»Morti ist weg. Sie sagen, er ist mit den Zigeunern gegangen. Schließlich war er auch einer.«
»Ein was?«
»Na, ein Zigeuner.« Rudy schiebt sich seine Baseballcap nach hinten. »Es hat sich sowieso schon jeder gewundert, dass er es so lange in New Corbie aushielt …«
Er war nur wegen Granny hier. Warum, zum Teufel, macht er sich ausgerechnet jetzt vom Acker?
»… und als die Zigeuner hier ankamen, hat er die Tanke geschlossen. Er hat Vince und mich ausgezahlt. War ein netter Zug von ihm. Und Vince hat er sein Werkzeug geschenkt. Und den ganzen Kram, den er in der Tanke aufbewahrt hat«, er deutet nach hinten, aber ich kann nicht erkennen, was es ist, »daraus kann man prima Bomben basteln. Das hätte ich ihm gar nicht zugetraut, so wie er sonst zu uns war. Jedenfalls kommt er nicht wieder.«
Die letzten Takte von Girl on fire verklingen. Wieder sagen wir nichts und ich spüre Indies Gedanken. Allein…allein…allein… Ich stoße sie an.
»… Vogelzüge reißen nicht ab …«, sagt der Nachrichtensprecher gerade, »… noch immer sind die Ursachen ungeklärt. Auch konnte die
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