Dark Bd. 1 - Prinz der Dunkelheit
beschäftigt, die Toten auszurauben. Münzen sind gut zu gebrauchen und leicht zu transportieren, doch damit begnügten sich die Brüder nicht. Der Kopfkarren würde vermutlich voller Waffen und Rüstungen sein, wenn wir aufbrachen. Und auch voller Stiefel. Ein gutes Paar Stiefel war drei Kupfermünzen wert.
Renton hustete, wischte sich die Nase ab und schmierte schwarzen Rotz durch sein Gesicht. »Die Pläne des Grafen kenne ich nicht. Ich gehöre nicht zu seinem engsten Kreis.« Er sah erneut zu Pater Gomst. »Gott ist mein Zeuge.«
Ich beugte mich zu ihm. Er roch faulig, wie Käse in der Sonne. »Ja, Gott ist dein Zeuge, Renton. Er wird dich sterben sehen.«
Ich ließ ihn darüber nachdenken und schenkte dem alten Gomsty ein Lächeln. »Du kannst dich um die Seele dieses Ritters kümmern, Pater. Die Sünden des Fleisches jedoch – die gehören mir.«
Rike reichte mir einen Becher Bier, und ich trank einen Schluck. »Der Tag, an dem du des Plünderns überdrüssig bist, ist der Tag, an dem du das Leben statt hast«, sagte ich und bekam dafür ein leises Lachen von den Brüdern auf den Stufen. »Warum bist du noch hier, wo du doch die Toten aufschneiden könntest, auf der Suche nach einer goldenen Leber?«
»Bin hier, um zu sehen, wie du Rattenfresse Schmerz zeigst«, sagte Rike.
»Dann erwartet dich eine Enttäuschung«, entgegnete ich. »Sir Rattenfresse wird mir alles sagen, was ich wissen möchte, und ich brauche nicht einmal die Stimme zu heben. Wenn ich fertig bin, überlasse ich ihn dem neuen Bürgermeister von Norwood. Die Bauern werden ihn vermutlich bei lebendigem Leib verbrennen, und er wird es für den leichten Weg aus dem Leben halten.« Ich sprach im Plauderton. Es sind die kältesten Drohungen, die am tiefsten reichen.
Im Sumpf hatte ich einen Geist in die Flucht geschlagen, mit nicht mehr als dem, das ich in mir trug. Und was Geister erschreckte, mochte auch Lebenden zu denken geben.
Doch Sir Renton klang nicht sehr erschrocken. »Du hast heute einen besseren Mann erstochen, Junge, und es steht ein besserer Mann vor dir. Du bist nicht mehr als Dreck an meinem Schuh.« Ich hatte seinen Stolz verletzt. Immerhin war er ein Ritter, und hier stand ein bartloser Jüngling und machte sich lustig über ihn. Außerdem war mein bestes Angebot ein »leichter« Tod im Feuer. Niemand hielt so etwas für leicht.
»Als ich neun Jahre alt war, versuchte Graf Renar, mich zu töten«, sagte ich und sprach noch immer ruhig. Es fiel mir nicht schwer. Ich war ruhig. Zorn erschreckt weniger, denn Männer verstehen ihn, den Zorn. Er versprach Erlösung, vielleicht von der blutigen Art, aber schnell. »Es gelang ihm nicht, aber ich habe gesehen, wie meine Mutter und mein Bruder starben.«
»Alle Menschen sterben«, sagte Renton. Er spuckte dunklen, blutigen Schleim auf die Stufen. »Warum sollst du etwas Besonderes sein?«
»Das ist eine gute Frage«, erwiderte ich. »Das ist eine verdammt gute Frage.«
Und das stimmte. Unter Marclos’ Gefangenen waren nur wenige gewesen, die keinen Sohn oder Ehemann, keine Mutter oder Geliebte verloren hatten. Und zwar in der letzten Woche. Und dies war mein leichter Weg, die Gnaden dieser Bauern im Vergleich mit der Aufmerksamkeit eines jungen Mannes mit vier Jahre altem Schmerz.
»Sieh einen Sprecher in mir«, sagte ich. »Wenn’s ums Reden geht, sind manche Leute wortgewandter als andere. Es ist wie mit dem besonderen Talent, das manche Männer mit dem Bogen haben.« Ich nickte dem Nubier zu. »Manche Männer können auf tausend Schritt ins Schwarze treffen. Sie zielen nicht besser, weil sie es wollen, und sie schießen nicht genauer, weil sie im Recht sind. Sie schießen einfach nur besser. Was mich betrifft … Ich räche mich besser als andere. Es ist eine Art Talent.«
Renton lachte und spuckte erneut aus. Diesmal sah ich einen Zahnsplitter in seinem Rotz. »Glaubst du, schlimmer zu sein als das Feuer eines Scheiterhaufens, Junge?«, fragte er. »Ich habe Menschen brennen sehen. Viele Menschen.«
Da war was dran. »Deine Worte haben durchaus etwas für sich, Sir Renton«, sagte ich.
Ich sah mich in den Ruinen um. Es waren größtenteils eingestürzte Mauern und verkohltes Holz dort, wo Dächer die Bewohner des Orte jahraus, jahrein vor Wind und Wetter geschützt hatten. »Der Wiederaufbau wird eine Weile dauern«, sagte ich. »Viele Hämmer und Nägel werden nötig sein.« Ich trank von meinem Bier. »Eine seltsame Sache … Nägel halten ein Gebäude zusammen,
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