Dark Bd. 1 - Prinz der Dunkelheit
zornig gesehen. Eigentlich hatte ich ihn überhaupt nie zornig gesehen.
»Eine Beleidigung. Vielleicht.« Ich fühlte ein Lächeln in mir aufsteigen und zeigte es. »Aber ich bin ein Mann. Vor drei Tagen bin ich volljährig geworden, Vater, und damit ehefähig. Ein wichtiges Datum. Ich beanspruche diesen Kampf als mein Jahresgeschenk. Oder willst du drei Jahrhunderte ankrathischer Tradition den Rücken kehren und mir das Mündigkeitsgeschenk vorenthalten?«
Die Adern in Vaters Hals zeichneten sich deutlich ab, und er krümmte die Finger, als wollte er nach einem Schwert greifen. Ich hielt es nicht für sicher, allein seinem guten Willen zu vertrauen.
»Wenn ich sterbe, ist die Thronfolge frei«, sagte ich. »Deine Scorron-Hure wird dir einen neuen Sohn schenken, und du bist mich los. Für immer, so wie Mutter und William. Und du musst nicht erneut Pater Gomst damit beauftragen, in den Sümpfen nach mir zu suchen.« Ich verbeugte mich vor der Königin. »Nichts für ungut, Euer Majestät.«
»Galen!«, donnerte Vater. »Töte diesen Teufel, denn er ist nicht mein Sohn!«
Ich lief los. Smaragdgrünes Glas knirschte unter hartem Leder. Sir Galen griff vom Stern in der Mitte des Thronraums her an, hob sein dunkles Schwert und rief nach meinem Blut. Er näherte sich ziemlich schnell, aber der Kampf gegen Makin hatte ihn Kraft gekostet. Ich stieß eine alte Frau beiseite, die mir den Weg versperrte. Sie fiel und spuckte Zähne, während die Perlen ihrer gerissenen Halskette über den Boden rollten.
Ich ließ die Höflinge hinter mir zurück und lief weiter, fort von Galen. Doch ich hörte ihn hinter mir, das Pochen seiner Stiefel und das Zischen seines Atems. Er war eine Handbreit über sechs Fuß groß, aber eine leichtere Rüstung und der Umstand, dass ich nicht außer Atem war, machten meine geringere Größe wett. Während ich lief, zog ich mein Schwert. In seine Klinge waren genug Zauber eingeritzt, um etwas gegen das turkmenische Schwert auszurichten. Ich warf es weg; das Gewicht behinderte mich nur.
Es blieb mir kaum mehr Platz. Wenige Meter entfernt ragte die linke Wand auf, und Galen war dicht hinter mir.
Ich hatte einen bestimmten Wächter als Ziel ausgewählt, einen jungen Burschen mit glattem Backenbart und offenem Mund. Als ihm klar wurde, dass ich meinen Kurs nicht änderte, war es zu spät. Ich traf ihn mit der Schiene des rechten Armschutzes. Der Schlag schmetterte ihm den Kopf an die Wand, und er sank langsam zu Boden, ohne weiteres Interesse an den Vorgängen. Mit der linken Hand nahm ich seine Armbrust, drehte mich um und schoss Galen in den Nasenrücken.
Der Bolzen schaffte es nicht ganz durch den Kopf. Das ist einer der Nachteile, wenn man Armbrüste schussbereit hält. Aber die Sehne hätte eigentlich nicht länger als einige Stunden gespannt sein sollen. Jedenfalls spritzte der größte Teil des teutonischen Gehirns aus dem Hinterkopf, und der Bursche stürzte sehr tot zu Boden.
Ohne das Wimmern der alten Frau beim Podium wäre es vollkommen still gewesen. Ich sah an der von Glassplittern übersäten adligen Menge vorbei zu Galen, der mit weit ausgebreiteten Armen dalag, inmitten der bis zur Tür reichenden Überreste des kristallenen Baums.
»Hat dir die Schau gefallen, Vater?«, fragte ich. »Wie ich hörte, ist es während der Abwesenheit von Sir Makin am Hof sehr ruhig gewesen.«
Und zum ersten Mal in meinem Leben hörte ich Vater lachen. Zuerst war es nicht mehr als ein Kichern, aber es wurde schnell lauter und zu einem brüllenden Gelächter. Es schüttelte ihn so sehr, dass er sich auf den Thron stützen musste, als er aufstand.
21
»Hinaus.« Von einem Augenblick zum anderen hörte das Lachen meines Vaters auf. Es verschwand ebenso plötzlich wie die Flamme einer ausgepusteten Kerze. »Hinaus. Ich rede jetzt mit dem Jungen.« Mit dem Jungen. Von »Sohn« war nicht die Rede, wie ich bemerkte.
Und die Leute verließen den Thronraum. Die Hohen und Mächtigen, die Lords und Ladys. Die Wächter halfen den Verwundeten; zwei von ihnen trugen Galens Leiche. Makin folgte Galen über die Glassplitter, knirsch, knirsch, als wollte er sicherstellen, dass auch bestimmt kein Rest von Leben in ihm verblieben war. Katherine ließ sich von einem Tafelritter führen. Am Fuß des Podiums blieb sie kurz stehen und sah mich so an, als hätte sie gerade erkannt, was ich wirklich war. Ich deutete eine spöttische Verbeugung an – es war ein Reflex, wie der Griff nach dem Schwert. Es
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