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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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Ahnung hatte), grinste er schließlich. »Dann ist es ja gut, dass ich nicht nach dem Erfinder der Glühbirne benannt bin. Göbel klingt wie gübeln.« Er sprang auf, beugte sich beunruhigend weit vor und tat so, als würde er sich den Finger in den Hals stecken und von der Mauer in den Hof kotzen, was er mit eindrucksvollen Geräuschen untermalte. Wir lachten und im nächsten Moment war die Befangenheit verschwunden.
    »Wohnst du hier?«, fragte ich den Jungen.
    Er nickte und wies mit dem Daumen über seine Schulter. Die Mauer verbarg, worauf er zeigte. »In dem Haus lebt mein Mentor, aber der ist bei der Arbeit. Er ist Berater der Triade und arbeitet im Hotel.« Seine Augen schimmerten stolz im Mondschein. »Ich soll nicht nach draußen gehen, wenn er nicht zu Hause ist, aber in den Innenhof darf ich.«
    »Die Oberkante der Mauer wurde aber vermutlich nie erwähnt, oder?«, neckte Neél.
    Edison winkte ab. »Macht nichts. Denn dich darf ich eigentlich auch nicht mehr sehen. Du bist kein Umgang für mich. Du hast falsche Freunde.« Die Wangen des Kleinen begannen vor Aufregung zu glühen. Für ihn machte das Verbot die ganze Sache zu einem Abenteuer. Aber ich bemerkte den Schatten, der über Neéls Gesicht huschte.
    »Dann behalten wir unser Treffen heute besser für uns, was?« Seine Stimme klang belegt.
    »Auf jeden Fall. Sonst krieg ich Hausarrest und Strafarbeiten. Neulich hab ich eine Scheibe mit einem Stein eingeworfen - ganz aus Versehen, ich schwöre es. Danach durfte ich eine Woche lang nicht mit den anderen spielen. Und ein anderes Mal musste ich den Verhaltenskodex abschreiben - zehn Seiten! In Schönschrift! Und alles nur, weil ich eine Schüssel Haferbrei auf Lavaders Stuhl gestellt habe, als er sich gerade setzen wollte.«
    • • •
    Als wir wenig später zum Gefängnis zurückkehrten, nahmen wir einen Umweg, um nicht durch das belebte Barviertel gehen zu müssen. Wir wollten reden und hätten für etwas Ruhe wohl auch die ganze Stadt umrundet.
    »Woher kennst du den Knirps?«
    Neél lächelte gedankenverloren. »Habe ihn vor fünf Jahren auf der Straße aufgelesen. Er saß im Motorraum eines ausgeschlachteten Autos und wimmerte. Er war erst vier und sprach so undeutlich, dass ich kaum mehr als seinen Namen verstand.«
    »Du hast ihn da rausgeholt?«
    »Das ging nicht. Die Sonne stand am Himmel. Ich war damals zum ersten Mal allein mit einem Schutzanzug auf Streife. Eigentlich wollte ich Hilfe holen, aber er bettelte mich an, nicht wegzugehen, also habe ich mich neben den Wagen gesetzt und mit ihm geredet. Er wollte singen, aber ich kannte aus meiner Kindheit nur noch dieses eine Lied, das wir beim Seilspringen immer gesungen haben.«
    »Seilspringen und singen?« Ich stellte mir eine kleinere Version von Neél vor und musste lachen. »Entschuldige. Aber das tun bei uns nur die Mädchen.«
    »Wie dumm für die Jungs«, erwiderte er. »Singend seilzuspringen ist eine gute Übung für Geschicklichkeit und Ausdauer.«
    »Wie geht das Lied?«
    »Oh nein. Ich singe nicht.«
    »Nur den Text«, bat ich.
    »Er wird dir nicht gefallen.«
    Ich tat etwas, das ich mir bei Amber abgeschaut hatte. Ich senkte den Kopf und schlug die Wimpern hoch. »Neél. Bitte.«
    Neél seufzte. »Er geht so: Für ein Stück Käse, Wurst und Brot, schieß ich viele Menschen tot. Und dann wird gezählt. Eins, zwei, drei ...« Er redete hastig, als wollte er das blöde Kinderlied so schnell wie möglich hinter sich bringen. »Edison zählte immer von eins bis vierzehn, dann kam die siebzehn, die zwanzig, und dann fing er wieder von vorne an. Ich habe ihn zu seinem Mentor zurückgebracht, nachdem der Himmel verdunkelt war. Dort erfuhr ich, dass er vor dem Morgengrauen weggelaufen war, um sich auf eigene Faust umzusehen. Das hat er hinterher noch häufiger getan, er ist recht freiheitsliebend.« Neél sah mich skeptisch an. »Ich wollte gerne, dass du ihn kennenlernst. Ist es danebengegangen?«
    Total. »Nur ein klein wenig.«
    »Ich dachte ... nun ja, ich habe wohl vergessen, dass Kinder ...«
    »Sehr ehrlich sind?«, bot ich an.
    Er nickte. »Das mit dem Rebellen-Jagen-Spiel ... tut mir leid.«
    »Es ist ja kein Wunder«, sagte ich. »Bei solchen Liedern. Willst du wissen, was wir singen?« Ich sang mit leiser Stimme, denn immerhin waren wir in der Stadt und auch wenn alle Fenster geschlossen waren, befanden sich Percents dahinter. »Soll er brennen, der Percent, soll er brennen. Soll er kochen in seinem Blut, denn gut

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