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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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strich bis zu meiner Nasenspitze. War meine Haut jemals mit etwas so Zartem in Berührung gekommen? Ich zitterte, so brutal behutsam war er. »Damit haben sie dein Leben gerettet.«
    Ich rang um Beherrschung. »Wohl eher mit dem Antibiotikum.«
    Er beugte sich vor und flüsterte mir ins Ohr: »Das würde weniger hübsch aussehen, glaub mir.«
    »Du bist abscheulich.«
    »Immer gern.«
    Zuerst küsste bloß sein Atem meine Wange. Neél strich mir über den Rücken, nur ganz leicht, aber es reichte, um mir das Gleichgewicht zu nehmen. Ich sank gegen seine Brust. Sein Atem küsste meinen Mund. Ich fühlte mich ganz leicht und genau das machte es so schwer. Meine Lippen bewegten sich, dennoch neigte ich den Kopf zur Seite.
    Ich konnte nicht.
    Wie hart sein Herz gegen meine Brust schlug! Ich spürte den Rhythmus, lauschte auf meinen eigenen. Sollten sie nicht im Gleich klang schlagen? Da versagte ich wohl, denn mein Herzschlag jagte in doppelter Geschwindigkeit dahin. Ambers Namen flackerte in meinen Gedanken auf. Natürlich - es schlug für sie mit. Es rannte vor Neél weg.
    Sein Mund war meinem ganz nah. Er formte lautlos meinen Namen. Eine stille, zaghafte Bitte.
    Meine Antwort brach mir das Herz. »Nicht.«
    »Joy.« Nie hatte er meinen Namen leiser ausgesprochen. Nie eindringlicher.
    »Nein. Es tut mir leid, Neél, ich kann das nicht.«
    Er senkte den Kopf und zuckte mit den Schultern. Dann drückte er mir die Blume in die Hand und wandte sich ab.
    Ich starrte auf die wilde Malve, als stünde eine Rettung als Antwort auf ihren Blütenblättern. »Es ist schwierig!«, rief ich Neél hinterher, weil ich nicht wollte, dass er ging.
    Er drehte sich nicht um. »Ich weiß.«
    »Nichts weißt du.« Die Malve zitterte in meinen Händen, so nervös machte mich die Situation. »Es hat nichts damit zu tun, wer wir sind.«
    »Nur was wir sind«, erwiderte er bissig. »Das ist natürlich fair, denn wir haben es uns schließlich so ausgesucht. Soll ich dir was sagen, Joy?«
    »Bitte, werd nicht wütend.«
    »Es macht mich aber wütend! Und ich will, dass du es weißt. Ich habe es mir nicht ausgesucht, ein Percent zu sein. Ich habe es mir nicht ausgesucht, in diesem Land am Ende der Welt zu leben. Ich habe es mir auch nicht ausgesucht, einen Chivvy-Soldaten aufgezwungen zu bekommen. Und am wenigsten ausgesucht habe ich es mir, dass du mir so wichtig geworden bist. Wenn ich eine Wahl hätte, wärst du mir egal! Aber ich habe keine Wahl. Es gibt keine!«
    »Wenn ich eine Wahl hätte«, sagte ich, »dann würde ich dich küssen.«
    Sein Blick war bitter, als er sich zu mir umdrehte. »Du hast die Wahl.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Es wäre nicht fair. Ich möchte dich nicht benutzen und noch weniger möchte ich meine Gefühle benutzen. Aber genau das würde ich tun.«
    Er breitete die Arme aus und sah an sich herab. »Ich wünschte, du würdest mich benutzen. Ich wünschte, ich könnte irgendetwas für dich tun.«
    Und da war er, der Moment, den ich so lange gesucht hatte.
    »Du kannst es«, wisperte ich, weil mir plötzlich der Atem wegblieb. »Bitte. Erhebe Anspruch auf Amber.«
    »Amber.« Er sagte den Namen, als hätte er ihn noch nie gehört.
    »Meine Freundin.« Ich trat zu ihm. »Widdens Dienerin. Er quält sie. Sie leidet. Wenn du Anspruch auf sie erhebst -«
    »Dann bist du verloren, falls dir beim Chivvy die Flucht nicht gelingt!«, rief Neél. Und nun wurde er doch wütend, vom einen auf den anderen Moment war er fuchsteufelswild. »Bist du des Wahnsinns?«
    »Ich bin ohnehin verloren.«
    Er fasste mich an den Schultern und schüttelte mich. »Ist dir eigentlich klar, was du da sagst?«
    Ich riss mich los. Es war mir klar und es war mir egal. »Ich habe nur diese eine Bitte«, sagte ich bestimmt. »Die Entscheidung liegt bei dir.«
    Er starrte mich an. Dann lachte er - auf abscheulich böse Art. Ich hatte noch nie erlebt, dass er so lachte. »An meiner Entscheidung hängt deine, sehe ich das richtig? Wenn ich die richtige Antwort gebe, küsst du mich. Wenn ich das Falsche sage, nicht. Was muss ich tun, damit du das Bett mit mir -«
    »Sei still!«, keifte ich ihn an. Die Wut brannte plötzlich überall in mir. Sie raste wie von Panik getrieben durch meinen Körper, wie ein Pferd, dem man Schweif und Mähne in Brand gesteckt hatte. Ich atmete tief ein und langsam aus, um mich zu beruhigen, aber es war aussichtslos. »Ich konnte dich nicht küssen«, presste ich hervor, »denn hätte ich es getan und dich danach gebeten,

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