dark canopy
glitt, bekam sein Blick etwas Glasiges. Ich hatte keine Unterhose angezogen. Wozu?
Von draußen klangen Stimmen, Varlets kamen von ihren Arbeiten oder den Ausflügen zurück und riefen sich scherzhafte Beleidigungen zu. Hunde kläfften. Vögel tschilpten. Ich hatte das Gefühl, es würden Stunden vergehen, in denen ich vor ihm stand, der Körper nackt, die Seele schutzlos.
»Wir haben nicht viel Zeit, Neél. Bald ist Herbst.« Ich hatte scherzen wollen, aber darin war ich nie gut gewesen. Stattdessen hatte ich ihn schmerzlich getroffen.
Er rieb sich über die Augen. »Ich habe mir überlegt, dass man mehr Gesteinsstaub in Dark Canopy einfüllen könnte. Schwereren Staub. Blei vielleicht. Er würde sich über die Welt legen, bis sie zu schwer wird, um sich weiterzudrehen. Damit niemals Herbst wird.«
»Dann sterben wir eben alle«, sagte ich und versuchte mich an einem unbekümmerten Grinsen. Es machte mir kaum etwas aus, nackt mit ihm über den Herbst zu philosophieren, es war - abgesehen von ein bisschen Peinlichkeit - beinahe lustig. All die Entscheidungen, die Klarheiten und die Hoffnung, dass alles gut werden würde, so gut wie eben möglich, beflügelten mich. Nach der langen Zeit in Sorgenfesseln fühlte ich mich so unglaublich erleichtert. Unter dem Einfluss von Gebrautem - und vermutlich hätte ich nicht einmal viel davon benötigt - wäre ich wahrscheinlich nackt im Zimmer umhergehüpft.
»Bevor wir es tun, Neél ... bevor wir sterben, meine ich ... könntest du dein Hemd ausziehen?«
Er nickte. Stand eine Weile reglos vor mir und begann dann, mit unruhigen Fingern sein Wildlederhemd zu öffnen.
Er war schön. Anders konnte man es nicht nennen - er war schön. Die Feststellung erstaunte mich nicht mehr. Ich hatte ihn etliche Male ohne Hemd gesehen, ich kannte den Anblick seiner Muskeln unter hellbrauner Haut, die leicht vibrierte, wenn er einatmete. Wann hatte ich begriffen, dass er schön war? Es war mir nie aufgefallen, ich wusste es einfach, vielleicht hatte ich es vom ersten Tag an gewusst.
Sein Hemd landete auf dem Bett und Neél breitete in einer hilflosen Geste die Arme aus. Seine Unsicherheit machte mich mutig. Nein, um ehrlich zu sein, raubte sie mir den Verstand.
»Mehr nicht?« Ich verengte die Augen und richtete meinen Blick auf seinen tief auf der Hüfte sitzenden Hosenbund.
Neél lächelte seine Füße an. »Du bist grausam.« Seine Stimme war ganz rau. »Jetzt hast du mich endlich da, wo du mich haben wolltest, was? Dir völlig ausgeliefert.«
Nie hätte ich mir träumen lassen, dass es einmal hier enden würde. Mit allem hatte ich gerechnet, aber nicht damit. Alles hatte sich verändert. Der Ort war derselbe, aber alles andere war neu. Wie wenn man eine Lichtung im Wald, die man nur im Dämmerlicht kennt, zum ersten Mal in den Sonnenstunden sieht. Plötzlich schwebt über allem dieses Leuchten. Aus allem Grau wird Blau und Grün. Glitzernder Blütenstaub tanzt in der Luft und lässt selbst einen gewöhnlichen Felsen schimmern wie einen Edelstein. Der Wind fühlt sich verändert an, weicher. Die Welt riecht sogar anders.
Jetzt, da zwischen uns alles geklärt war, war Neél wie die Sonne für mich, die alles in ein neues Licht hüllte.
Ich ging auf ihn zu. Von seinem Körper strahlte Wärme ab, als litt er an Fieber, und er zitterte ein wenig. Ich berührte seine Schultern, seine Oberarme, seine Brust.
Sehnsucht ist ein erstaunliches, kleines Gefühl. Ich kannte sie, seitdem ich ein kleines Mädchen gewesen war; mein Vater hatte manchmal gescherzt, »Desire« wäre ein passenderer Name für mich gewesen. Ich sehnte mich nach so vielem, jeden Tag, jede Stunde, jeden Augenblick. Nach Freiheit, nach Weite, nach dem Himmel und der Sonne, die meine Haut verbrannte; danach, schneller zu rennen, als mein Körper rennen konnte, zu fliegen, und danach, mit jemandem zusammen allein zu sein. Aber nie hatte ich mich derart nach etwas gesehnt, das mir so nah war, dass ich es berühren konnte. Nie war die Erfüllung einer Sehnsucht so erreichbar gewesen. Ich musste nur die Hand heben und schon konnte ich sein Herz unter fester, samtiger Haut schlagen fühlen.
Das Herz eines Percents.
Nein, Neéls Herz!
Er hob spöttisch eine Augenbraue und einen Mundwinkel. »Ist dir etwa kalt?«
Im Gegenteil. Ich schmiegte mich trotzdem an ihn, als suchte ich nach Wärme. »Zu viele Gedanken«, murmelte ich. »Kannst du sie wegmachen?« Bevor ich mich in ihnen verlor, was bedeuten würde, ihn zu verlieren,
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