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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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bevor unsere Zeit abgelaufen war.
    Er konnte. Er hob mein Kinn und küsste mich, bis sich alle Gedanken, so zäh sie auch waren, auflösten und zu Schlieren verwirbelten. Dann begann er mich zu streicheln - erst zaghaft, tastend, mit rückversichernden Blicken - und seine Hände wischten alles Denken fort. Angenehme Schwere füllte meinen Kopf. Bloß tief im Innern, kurz hinter den Gedanken, an die man sich später erinnert, kam mir in den Sinn, dass es keinen Ort auf der Welt gab, an dem ich in diesem Moment lieber sein wollte als hier bei ihm, mochte sein Himmel auch noch so grau sein.
    Er legte mich auf seine Pritsche und ließ mich nur los, um seine Hose auszuziehen. An seinem ganzen Körper vibrierte die Haut.
    Ich wünschte, ich würde wahrnehmen, was er wahrnahm, wenn er meinen Geruch in sich aufnahm. War es vergleichbar mit hauchzarten Berührungen?
    Ich hatte aus vielen Gründen Sex gehabt. Aus Neugier, aus Freundschaft, aus Einsamkeit oder weil ich mir etwas davon erwartete. Dieses Mal war der Grund ein anderer. Ich wollte ihn, weil er der war, den ich in meiner Nähe brauchte. Der, von dem ich immer gedacht hatte, dass es ihn nicht gab.

34
    er kämpfte.
ich sollte das auch tun.
    »Du hast keine Waffe.« Er stützte sich auf den Langbogen und deutete mit der Pfeilspitze in meine Richtung.
    Der Himmel war noch nicht durch Dark Canopy verdunkelt, es waren echte Regenwolken, die Neél vor der Vormittagssonne schützten. Ganz weit weg grollte ein Gewitter. Wir waren beide nass bis auf die Knochen, aber während ich mich fühlte wie eine ersoffene Mutantratte, strahlte er Erhabenheit aus, als das Wasser in feinen Linien über sein Gesicht rann.
    Wie ein Baum , dachte ich. Denen macht schlechtes Wetter auch nichts aus, sie strecken sich dann nur stolzer dem Himmel entgegen. Der Regen ließ seine Haut glänzen und in seinem schwarzen Haar schimmerten winzige silbrige Perlen.
    »Dann sollte ich wohl besser rennen.« Ich musste rufen, weil uns ein paar Meter trennten und der Regen in seinem steten Gemurmel die Geräusche schluckte.
    »Nein, solltest du nicht.«
    »Dein Wort drauf, Percent! Gleich lässt du mich ohnehin wieder rennen wie ein Karnickel.« Meine Geduld war am Ende. Neél hatte versprochen, den amtlichen Teil um Ambers Beanspruchung nach unserem Training zu erledigen. Ich verstand nicht, warum er sich so viel Zeit ließ. Amber musste weg von diesem Scheißkerl, der sie zerstörte und seine Taten noch genoss. Jede Sekunde, die sie in seiner Gewalt war, war eine Sekunde zu viel. Sicher war sie auch in der letzten Nacht misshandelt worden - während Neél und ich uns geliebt hatten, als gäbe es kein Morgen. Die Scham pochte mir von innen gegen den Schädel und hämmerte mir Kopfschmerzen ein, wie es sonst nur kalter Herbstregen schaffte, wenn er mir gegen die Stirn prasselte.
    »Wie ein Karnickel, ja?«
    Ich sah irritiert auf. Neél hatte den Pfeil auf die Sehne gelegt und zielte. Auf mich. In einer geschmeidigen Bewegung spannte er die Sehne. Der Langbogen dehnte sich wie ein frischer Ast. Es sah kinderleicht aus, doch ich wusste, wie viel Kraft man dazu brauchte.
    Kraft. Langbogen. Neél. Ich leckte mir über die Lippen. Neél kommentierte das mit einem Blick, der ein Glas Wasser in Eis verwandelt hätte. Er hielt den Bogen absolut still, nicht das geringste Zittern war zu erkennen.
    Das war heute Nacht ein wenig anders. Ich musste kichern. Neél nahm den Bogen wieder runter und warf Waffe und Pfeil vor sich ins Gras.
    »Soldat!«
    Ich zuckte zusammen. Er hatte mich ewig nicht mehr so angesprochen. Erst recht nicht in diesem Ton.
    Er rauschte auf mich zu, als wollte er mir den Hintern versohlen wie einem trotzigen Gör. Ich stemmte unwillkürlich die Fäuste in die Hüften. Sollte er nur kommen!
    »Joy«, begann er mit seiner Standpauke. Ich verdrehte die Augen. »Liegt dir so viel daran, den nächsten Winter nicht mehr zu erleben? Du nimmst das hier nicht ernst! Das hier ist dein Training!«
    »Ach! Und das ist heilig, oder was?«
    »Ja!« Sein Gesicht und sein Hals färbten sich dunkler, es sah aus wie die Percent-Variante des Errötens. »Du lässt zu, dass deine Gefühle dich schwach und hilflos machen. Wenn du so weitermachst, wird dich das umbringen. Reiß dich zusammen! An diesem Training -das dir so an deinem hübschen Arsch vorbeigeht - hängt ebendieser hübsche Arsch. Und der Rest von deinem Leben ebenfalls.«
    »Hmpf«, machte ich, denn zu meinem allergrößten Bedauern war das nicht ganz

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