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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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von der Hand zu weisen. Ich grummelte: »So wild wird es schon nicht, wir haben doch schon so viel trainiert. Heute habe ich einfach andere Sorgen.«
    »Du denkst an Amber?«
    Ich nickte, obwohl mir sein lauernder Tonfall nicht gefiel.
    Er lächelte überlegen. »Gut. Fünf von zehn. Sobald du das schaffst, erledige ich meinen Teil der Abmachung.«
    Fünf von zehn? Was sollte das nun wieder bedeuten? Und was hieß hier sein Teil? »Moment, Percent! Du hast es mir versprochen. Von Bedingungen war nie die Rede! Das ist Erpressung.«
    »Das ist es. Ich habe dir nie Fairness versprochen.« Er wandte sich ab und ging zurück zu seinem Bogen. Erneut legte er auf mich an. Angst machen konnte er mir nicht - nicht viel -, aber es gelang ihm, eine weißglühende Wut in mir anzufachen. Ich ließ mich doch nicht behandeln wie Vieh! Erst recht nicht, nachdem er mich eine ganze Nacht lang im Arm gehalten hatte.
    »Du hast keine Waffe«, rief er erneut. »Bogen- und Armbrustschützen können das ändern. Sieh ihre Pfeile als Geschenke.«
    »Na, vielen Dank«, blaffte ich.
    »Fünf von zehn, Joy.«
    »Verflucht, Percent!« Ich brüllte so laut ich konnte gegen den Wind. »Was willst du von mir?«
    »Du sollst sie fangen, Liebes.« Und dann sirrte der erste Pfeil wenige Zentimeter an meinem rechten Ohr vorbei.
    Ich starrte Neél an. Er meinte das ernst. Ich sollte seine Pfeile fangen - Pfeile mit Spitzen aus Eisen, die Holzbretter durchschlugen. Während er das nächste Geschoss aus dem Köcher zog und anlegte, erklärte er mir mit ruhiger Stimme, was ich zu tun hatte.
    »Weiche dem Pfeil aus.«
    »Ach, sag bloß.«
    Er ließ sich nicht irritieren. »Weiche aus, aber nicht zu viel. Schlag den Pfeil mit einer halbrunden Hand von oben nach unten und zieh ihn in deine Richtung. Halt ihn nicht fest, wenn du keine Handschuhe trägst. Falls der Pfeil feucht ist oder du nicht fest genug zugreifst und er durch deine Hand rutscht, reißt die Befiederung dir die Finger auf. Schlag ihn einfach zu Boden, dann kannst du ihn aufheben und hast eine Waffe.«
    »Kannst du mir nicht lieber zeigen, wie ich an eine Pistole ... Verdammt!« Der zweite Pfeil zischte an mir vorbei.
    Fangen? Ich war froh, beim Ausweichen nicht zu stürzen. Bevor ich einen solchen Pfeil fing, würde ich einer Mücke im Flug Knoten in die Flügel machen.
    »Joy? Das ist kein Spaß, konzentrier dich. Fünf aus zehn. Und Joy ... sei vorsichtig. Es könnte wehtun. Bereit?«
    Ich atmete tief durch und verwahrte die Wut auf Neél zwischen meinen zusammengebissenen Zähnen. Es sollte doch zu machen sein, diese verdammten Pfeile aus der Luft zu holen. Für Amber sollte es mir ein Leichtes sein. Ich trainierte meine Reflexe seit Jahren und mein Blick war scharf. Meine verletzte rechte Hand hinderte mich bei dieser Übung kaum, weil es weniger auf Präzision, sondern nur auf den richtigen Moment ankam. »Bereit!«
    Er legte an, zielte, schoss. Legte an, zielte, schoss. Legte an ... Die Pfeile flogen einer nach dem anderen in den Stamm einer Eberesche. Hin und wieder prasselten durch den Schwung die kleinen roten Beeren auf mich nieder. Der Regen wurde stärker, das Donnergrollen kam näher. Pfeil um Pfeil flog an mir vorbei.
    Neél holte sie sich zurück. Als er wieder zu seinem Ausgangspunkt ging, kam er dicht an mir vorbei. »Mehr Gefühl. Hör den Pfeil. Vertrau dir. Du kannst es.« Seine Worte waren leise und zart. Und nur für mich allein. Sie verloren sich fast zwischen dem Rascheln der Blätter im Regen.
    »Bereit?«
    »Bereit.« Ich schloss die Augen, als er den Pfeil auf mich abschoss. Hörte. Fühlte. Reagierte unbewusst wie ein Tier, das nach der Beute greift. Und dann begriff ich, was er mit Es könnte wehtun gemeint hatte.
    Ich kreischte auf. Tränen schossen mir in die Augen. Mein erster Gedanke war, dass der Pfeil direkt durch meine Hand gegangen war. Aber er steckte nicht zwischen meinen Knochen, sondern lag mir zu Füßen. Ich hatte ihn gefangen, bloß war die Wucht des Geschosses so stark gewesen, dass es sich anfühlte, als hätte man mir einen Schlag mit dem Rohrstock verpasst. Ich wischte mir mit den Fingerknöcheln die Feuchtigkeit aus den Augenwinkeln. »Ich habe den ersten ... Bereit!«
    • • •
    Mit aufeinandergepressten Lippen ließ ich kaltes Wasser über meine Handflächen laufen. Rosa kreiselte es im Becken, bevor es im Abfluss verschwand. Die Befiederung der Pfeile war tatsächlich äußerst scharf. Nachdem ich mich bei einem Geschoss vergriffen hatte,

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