dark canopy
getan. Die Erleichterung ließ mich aufseufzen und gleichzeitig stach mir irgendein Gefühl, das ich nicht haben wollte, in die Brust. Neid? Eifersucht? Nein. Ich glaube, es war Angst.
»Ja, oh trifft es gut. Dasselbe dachte ich auch, als sie plötzlich aus ihrer Lethargie erwachte, explodierte und um sich schlug.«
»Sie muss sich gefürchtet und das Schlimmste erwartet haben«, sagte ich lahm. Meine arme Amber. Was sie wohl alles durchgemacht hatte? Ging sie davon aus, dass die Peinigungen von vorne beginnen würden? Oder war es ein gutes Zeichen, dass sie kämpfte und sich noch nicht so weit aufgegeben hatte, wie ich befürchtete?
Neél nickte. »Das denke ich auch. Sie ist jetzt bei Cloud. Mina sorgt für sie, sie hat sich gleich drangemacht, einen riesigen Topf Rinderbrühe zu kochen. Cloud war nicht so glücklich ...«
»Wegen der Rinderbrühe?«
Neél gluckste. »Ich glaube, ich war ein größeres Ärgernis als die Suppe. Er redet nicht mehr mit mir.«
»Aber er wird gut zu Amber sein?«
»Ist Wasser nass? Mina wird nichts anderes zulassen, glaub mir. Sie ist ganz vernarrt in deine Freundin, vor allem, seit sie erfahren hat, dass sie es war, die mir das Gesicht zerkratzt hat. Offenbar ist man sich einig.« Neél seufzte gespielt selbstmitleidig. »Ich bin der Böse - ich habe es verdient.«
Ich küsste ihn heftig und rücksichtslos auf den Mund. »Du bist großartig. Wann darf ich zu ihr?«
Er entzog sich mir prompt und ging zum Fenster. Seine Silhouette zeichnete sich vor dem Schwarz der Nacht ab und bekam augenblicklich etwas Düsteres. »Gar nicht.« Er rieb sich das Gesicht. »Cloud erlaubt es nicht.«
»Was?« Seine Antwort bekam ich nur in Bruchstücken mit: Rebellen ... Austausch von Informationen ... nicht in seinem Haus ... aufs Chivvy konzentrieren ... es tat ihm leid.
Neél war so rücksichtsvoll, sich mir erst wieder zuzuwenden, nachdem ich meine Tränen in den Griff bekommen hatte. »Ist schon okay.« Ich wischte mir die Nase ab. »Ich hatte etwas anderes erwartet, aber ich verstehe es. Es ist nicht wichtig, ob ich sie sehe, solange es ihr gut geht.« Ich musste die Situation, so wie sie war, schlucken. »Versprichst du mir das, Neél?«
Es ärgerte ihn sichtlich, dass ich ihm diese Verantwortung aufdrängte, doch er sagte: »Ich würde dir lieber andere Dinge versprechen. Aber ich tu, was ich kann.«
»Du kannst das. Ich glaube, dass ihr euch mögen werdet. Vielleicht ...« Nein, auszusprechen, dass sich Neél und Amber möglicherweise ineinander verlieben könnten, das gelang mir nicht. »Vielleicht versuchst du nicht, sie im Schnee zu ersticken, wie mich damals. Ansonsten kannst du nicht viel falsch machen.« Denn du bist wunderbar, Neél, und Amber wird das sehen. Fürchte ich.
35
ihr sucht nach abenteuern?
ich habe davon mehr als genug für uns alle.
Matthial betrachtete den Staub, der von seinen Schuhsohlen aufgewirbelt wurde. Ziellos schlenderte er durch die Straßen, in denen er Amber mehrfach gesehen hatte. Der Percent, der sie gefangen hielt, wohnte offenbar in dieser Gegend. Amber ließ sich kaum als seine Informantin bezeichnen, aber etwas, das dem am nächsten kam. Er brauchte sie nun mehr als je zuvor.
Seitdem die Percents den Tunnel zugeschüttet hatten, durch den er so oft gegangen war, wagte Matthial sich nicht mehr täglich in die Stadt. Sie hatten Spuren von ihm gefunden. Seinen Bogen. Der Verlust kratzte an ihm, es war seine beste Waffe gewesen, das Ersatzstück dagegen nicht mehr als in Ordnung. Vor allem musste er nun sehr vorsichtig vorgehen, da sie wussten, dass er da gewesen war und wiederkommen würde. Vielleicht wäre es klug, eine Übernachtungsmöglichkeit in der Stadt auszumachen. Der Aufenthalt war nicht so riskant wie das Eindringen und Ausbrechen; war er erst einmal in der Stadt und verhielt sich wie jeder andere, fiel er nicht auf. Ja, zu bleiben, um noch intensiver nach Joy zu suchen, war keine dumme Idee. Das Chivvy näherte sich mit riesigen Schritten. Jeder Temperaturabfall roch nach dem drohenden Herbst. Immer noch hatte er Joy nicht gefunden. Für seine Pläne war es unabdingbar, dass sie diese kannte.
Pläne. Der Gedanke schmeckte nach nichts mit einem Hauch von Enttäuschung. Früher hätte er die paar unsystematischen Strategien, die allesamt nur mit Glück und Improvisation ineinandergreifen würden, niemals als Plan bezeichnet, allenfalls als Rohentwurf, den man noch zu Ende denken musste. Doch mehr hatte er nicht. Die beiden jungen
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