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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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kurz und hart in die Reste des zerschlagenen Glases. »Du dagegen denkst nur, dass du etwas tust. Das ist der Unterschied zwischen uns. Deine Leidenschaft macht dich zum Idioten.«
    Adrenalin vernebelte mein Denken und schärfte meine Sinne. Waffe! Ich brauchte ... Mein Fuß krachte gegen ein Stuhlbein, es gab sofort nach. Ich hob es über meine Schulter wie ein Schwert. Die Umgebung verschwamm, den Schatten an der Tür sowie Neéls schmerzvolle Geräusche registrierte ich nur peripher. Meine ganze Konzentration war auf Cloud gerichtet. »Runter von ihm!«
    Er sah mich an und zog dabei Neéls Kopf in den Nacken. Ich trat zwei Schritte näher, verstärkte den Griff um meine lächerliche Waffe und schüttelte den Kopf. »Runter von ihm!«
    Der Percent lachte, absurderweise schwang keine Gehässigkeit in diesem Lachen mit. »Erstaulich«, sagte er. »Wie überaus erstaunlich.« Er ließ von Neél ab, sein Gesicht sank in die Scherben zurück, aber ich konnte dem vorerst keine Beachtung schenken. Cloud ging an mir vorbei Richtung Schrank, ich drehte mich langsam, um ihm nicht den Rücken zuzuwenden. In Seelenruhe griff er nach einem neuen Glas, schenkte es voll und verließ damit das Zimmer.
    Eine Weile blieb ich perplex stehen und schluckte gegen den Brechreiz an, den die Panik verursachte, dann sank ich neben Neél auf die Knie und zog ihn aus den Scherben.
    »Verflucht, Neél«, murmelte ich. »Musstest du ihn provozieren? Der Mann ist doch völlig irre.«
    Neél versuchte zu antworten, er bewegte die Lippen, aber da kam nichts, nur ein wenig Blut, das er mühsam ableckte. Möge Cloud in der Sonne schmoren!, dachte ich, befahl Neél mit einem zärtlichen »Schht!« zu schweigen und verschaffte mir einen Überblick. Die Verletzungen in seinem Gesicht waren nicht so schlimm, wie ich zunächst befürchtet hatte. Das meiste waren Kratzer, außerdem rann Blut aus seiner Nase. Eine Scherbe hatte sich komplett durch seine Wange gebohrt, eine andere hatte einen tiefen Schlitz durch seine Augenbraue gezogen. Ich blendete sämtliches Mitleid aus (Er war doch selbst schuld, der Verrückte!), pfriemelte die Splitter mit meinen dreckigen Fingernägeln heraus und bettelte in Gedanken um Minas desinfizierende Arzneien. Schlimmer als das Gesicht hatte es Neéls Hals erwischt. Die geplatzten Blutgefäße unter der Haut deuteten daraufhin, dass er morgen wahrscheinlich blau und violett schillern würde. Außerdem bewegte Neél seinen Oberkörper mit äußerster Vorsicht, als er sich halb aufrichtete und an die Wand lehnte. Drecks-Cloud hatte ihn mit Sicherheit getreten, als er am Boden lag. Meine Hände zitterten vor Wut. Und Angst. Denn aus seiner Nase rann das Blut wie aus einem Wasserhahn und mir fiel auf, dass er immer wieder schluckte. Das konnte nur eins bedeuten: mehr Blut; Blut, das er mich nicht sehen lassen wollte.
    Die Tür wurde geöffnet. Meine Hand schoss zum Stuhlbein und hielt inne. Es war Mina. Sie schnalzte mit der Zunge, als hätte Neél sich nur das Knie aufgeschlagen.
    »Er tobt vor Wut«, sagte sie schlicht und tränkte ein Tuch mit Clouds Gebranntem. Die Vorstellung, wie Cloud, der sich selbst dann noch beherrscht artikulierte, wenn er seinen Varlet verdrosch, tobte, brachte mich fast zum Lachen. Wie das wohl aussah? Hatte er etwa seine Stimme erhoben oder verdammt gesagt?
    »Wie kannst du nur so ungerecht sein?« Mina klatschte Neél das triefende Tuch auf die Wange, als gäbe sie ihm eine Ohrfeige.
    Der Alkohol musste sich in den offenen Wunden wie Säure anfühlen. Neél presste die Lider zu, bis sie vor Anstrengung beinahe weiß wurden, gab aber keinen Laut von sich. Von seiner hellbraunen Hautfarbe war nichts übrig, unter dem Blut war er bleich wie der Mond.
    »Neél hat aber recht«, presste ich durch meine zusammengebissenen Zähne. »Die Präsidenten -«
    »Ach, halt du doch den Mund!«
    Ich zuckte zusammen. Mina hatte mich noch nie so angefahren. Die Situation musste sie schwer mitnehmen, sie fluchte immer wieder leise und ihre Hände flogen unruhig umher, während sie Neéls Wunden säuberte. Warum sagte sie nichts zu dem Blut, das ihm aus Mund und Nase kam? Konnte sie mich nicht wenigstens wissen lassen, dass es nichts Schlimmes war? Ich traute mich nicht, danach zu fragen.
    »Ihr habt ja keine Ahnung«, grummelte Mina.
    Neél tastete mit geschlossenen Augen nach meiner Hand und drückte sie kurz. Ich verstand.
    »Dann erklär es uns.«
    »Ja, das wollte Cloud doch tun!«, rief Mina. »Aber nein,

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